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Israels Geheimvatikan Band 2 Seite 55-72

Das Geheimnis
der Balfour-Erklärung

Der Zionismus tritt auf den Plan

Jetzt sah die Zionistische Weltorganisation, die sich seit November 1914 dem äußeren Schein nach aus dem Schlachtengetümmel herausgehalten hatte, ihre Zeit zum Verhandeln gekommen. Ausschlaggebend für den Zeitpunkt dieser diplomatischen Offensive waren vor allem zwei Gründe.

Der erste Anreiz, noch einmal im Nordauschen Sinne auf die britische Regierung zuzutreten, lag in Englands gleichzeitig erwachtem Interesse an einer Nachkriegsregelung für den Nahen Osten.

Um die personell unterbesetzte türkische Front im Süden Europas in den Griff zu bekommen, war Großbritannien relativ früh auf die Führer der von den Osmanen unterjochten Araber zugegangen. Um diese zum Aufstand gegen die türkische Herrschaft zu bewegen, hatte London großzügige Versprechungen gemacht. So suchten die Engländer den Herrscher der Wahhabiten, Ibn Saud, durch Zusicherung beträchtlicher Unterstützungen sowie Überlassung von Kriegsmaterial zum Kriege gegen die Türkei zu bestimmen; Ibn Saud durchschaute jedoch bald ihr Doppelspiel und kündigte seine Freundschaft auf. Dagegen gelang es, den haschemitischen Großscherif Hussein Ibn Ali, Beschützer der heiligen islamischen Städte Mekka und Medina, für ein militärisches Vorgehen gegen die Türken zu gewinnen: Dafür daß Hussein seine Truppen der Entente zur Verfügung stellte, versprach Großbritannien am 24. Oktober 1915 die Anerkennung der Unabhängigkeit der Araber südlich vom 37. Breitenkreis ohne Bagdad und Basra und unter Ausschluß einer französischen Interessenssphäre.

Mit der Ehrlichkeit der Angelsachsen war es allerdings nicht besonders gut bestellt. Das zeigte das am 16. Mai 1916 in aller Heimlichkeit abgeschlossene "Sykes-Picot-Abkommen", in welchem England und Frankreich das Osmanische Reich unter sich aufteilten. Entworfen hatte das Dokument Sir Mark Sykes, Nahostberater des Kriegsministers Lord Kitchener mit Sitz in Khartoum. Sein Gegenüber war der französische Unterhändler Georges Picot, früherer Generalkonsul in Beirut. Frankreich erhielt die Herrschaft über ein Gebiet, das Großsyrien mit dem späteren Libanon umfasste zugesprochen. Dazu gehörten die Städte Aleppo, Hama, Homs und Damaskus, aber auch die Erdölvorkommen in Mosul im Nordosten des heutigen Irak. Das Gebiet südöstlich des französischen Territoriums umschloß das heutige Jordanien und östlich davon die Gebiete des heutigen Irak und Kuwait mit den Städten Basra und Bagdad. Dieses Gebiet schlug das Sykes-Picot-Abkommen Großbritannien zu. Darüber hinaus sollten die Häfen Haifa und Akre (heute Akko) an England fallen. Italien hatte man das Bergland an der Mittelmeerküste Südanatoliens und die vorgelagerte Zwölferinselgruppe versprochen. Das zaristische Rußland sollte die armenischen Gebiete der Türkei und Kurdistan südwestlich von Eriwan erhalten. [72] Palästina bis zum Jordan sollte international verwaltet werden. Abgesehen von diesen Bestimmungen des Sykes-Picot-Abkommens steckten die Briten die Staatsgrenzen der arabischen Reststaaten willkürlich ab. Sie bestehen zum größten Teil bis heute fort. So kam es zur Bildung der Staaten Syrien und Libanon unter französischem Protektorat sowie von Transjordanien, Palästina, Irak und Kuwait, die britischen Interessen dienen sollten. Allein in Saudi-Arabien erkannte Großbritannien damals noch keinen strategischen Nutzen, ein Fehler, den London später noch zutiefst bereuen sollte. Dieser Geheimvertrag hob das MacMahon-Versprechen vom 24. Oktober 1915, das Frankreich übrigens erst 1919 kennenlernte, großenteils auf. Selbstverständlich wurden die Araber von der neuen Situation nicht in Kenntnis gesetzt. Deshalb bildete Hussein, im Vertrauen auf die Aufrichtigkeit seiner vermeintlichen Verbündeten am 5. Juni 1916 aus dem Wilajet Hedschas ein Königreich, das er in den Dienst der Entente stellte. Ferner erklärte er die Unabhängigkeit Arabiens und besetzte Dschidda, Taif und andere Orte. Es war damit klar, daß die Araber nach dem Krieg als kämpfende "Nation" bei der Neustrukturierung des Nahen Ostens beteiligt werden würden. Da sich darüber hinaus auch London und Paris am osmanischen Erbe bereichern wollten, mußte der Zionismus baldmöglichst ebenfalls in den Ring steigen, um am Ende nicht leer auszugehen. Soweit also die Antwort 1 auf die Frage, warum der Zionismus seine Ruhephase gerade im Sommer 1916 beendete.

Punkt zwei lag in der günstigen Mächtekonstellation begründet: Trotz eines an Streitkräften mehrfach überlegenen Feindes konnten die Mittelmächte den Verlauf des Krieges im Sommer des Jahres 1916 nämlich immer noch durchaus positiv bilanzieren. Im Norden herrschte Friede, im Süden waren Serbien und Montenegro völlig in sich zusammengebrochen, Italien hatte in neun Isonzoschlachten nicht viel mehr Land erobert als nötig war, die Toten zu begraben, im Westen kamen die Franzosen nicht voran, England atmete schwer - der würgende Druck des U-Bootkrieges drohte das Land zu erdrosseln.

Was die Patt-Situation aus Sicht der Mittelmächte geradezu erfreulich aussehen ließ, war der Verlauf des Ostfeldzuges. Die deutschen Siege über die russischen Armeen bei Tannenberg und an den masurischen Seen im August und September 1914, die Eroberung Polens, Litauens und Kurlands, die zum Zarenreich gehörten, während des Jahres 1915 und schließlich die schnelle "Abwicklung" des Rumänien-Problems hatten gezeigt, daß Rußland trotz zahlenmäßiger Gigantomanie seinen Gegnern im Westen militärisch unterlegen war. Der Kriegseintritt des Osmanischen Reiches am 1. November 1914 an der Seite der Mittelmächte hatte Rußland zudem von alliierten Zulieferungen aus dem Mittelmeerraum abgeschnitten und die Versorgungskrise des Landes verschärft.

Ein deutsch-russischer Separat-Frieden als Trumpf im Spiel mit England

Die prekäre Lage im Zarenreich war ganz nach dem Geschmack Zions, das damals bestrebt war, die Kriegsbereitschaft des Landes gegenüber der Downing Street zu einem Verhandlungspunkt über Palästina zu machen. Vor diesem Hintergrund erscheint es unnötig zu betonen, daß die altbekannten Satelliten des Geheimvatikan höchstselbst dafür Sorge trugen, daß Rußland litt. Sie waren es, die alle Hebel in Gang setzten, damit die Hilfszusagen der westlichen Alliierten leere Worte blieben, und sie waren es auch, die bald laut in Rußland nach einem Ende des Krieges riefen...

Angesichts der Weite des Landes und der zur Verfügung stehenden Ressourcen war Kopflosigkeit fehl am Platze - trotzdem wurde in den großen Städten die Panik geschürt. Es gab keine Katastrophe, aber sie wurde beständig herbeigeredet. Nach zwei Jahren Krieg - hörte man immer wieder - stehe Rußland vor dem wirtschaftlichen und militärischen Zusammenbruch. Man müsse kein Prophet sein, um den Kollaps des Zarenregimes in Rußland für die nächste Zeit vorauszusagen, sollten sich die Lage an den Fronten nicht verbessern und die Versorgungsschwierigkeiten im Innern nicht abwenden lassen. Wegen der militärischen Schwäche des Zarenreiches könne eine Veränderung zum Besseren nur eintreten, wenn ein Separatfrieden mit Deutschland geschlossen werde.

In der Duma mehrten sich die Angriffe auf die zaristische Regierung, und selbst der Reichsrat forderte den sofortigen Wechsel des politischen Kurses. Schließlich erwog auch der um die innenpolitische Stabilität seines Landes besorgte Zar den Gedanken eines Sonderfriedens mit den Mittelmächten. Die Bereitschaft zu diesem Schritt stieg seit Aufnahme der Sykes-Picot-Verhandlungen in Petersburger Regierungskreisen beständig. Bereits im Februar 1916 war der dem Krieg kritisch gegenüberstehende Boris W. Stürmer zum Premierminister ernannt worden. Von März bis Juli übernahm er noch das Innenministerium und im Juli nach dem Rücktritt Sasonows zugleich das Außenministerium.

Wie Stürmer trat der Vizepräsident der Duma Alexander D. Protopopow mehr oder weniger offen für einen Separatfrieden mit Deutschland ein. [73] Ihn hatte sich der Zar als Unterhändler mit den Deutschen auserkoren. Im Spätsommer 1916 wurde Protopopow in das Schwedische Stockholm geschickt, um dort mit dem Bankier Warburg als Vertreter des Deutschen Reiches über die Möglichkeiten einer endgültigen Waffenruhe zu verhandeln. [74] In einem im Frühjahr 1918 in einem Moskauer Gefängniskrankenhaus geführten Gespräch bestätigte Protopopow seine Verhandlungen mit dem deutschen Regierungsvertreter Warburg in Stockholm. Das deutsche Friedensangebot - keine Annexionen usw. - wird danach von Protopopow bei seiner Rückkehr im Sommer 1916 tatsächlich Zar Nikolaus II. in Privataudienz vorgetragen. Nikolaus hält die deutschen Bedingungen unter den obwaltenden Umständen für "ideal". Unmittelbare Folge ist Protopopows Ernennung zum Innenminister. So General Gerassimoff in seinen Memoiren. [75]

Der Schacher um Palästina

Als sich gar der russische Zar im Jahre 1916 zu einem Separatfrieden mit Deutschland bereit zeigte, war klar, daß eine Durchsetzung dieses Plans auf kurz oder lang den Zusammenbruch Frankreichs und damit auch Englands nach sich ziehen würde. Ein Ausscheiden des riesigen Zarenreiches aus der Allianz mußte nämlich - da Berlin die im Osten freiwerdenden Truppen umgehend an die Westfront entsenden würde - dort zu einer Verdoppelung der allein schon Paroli bietenden deutschen Streitmacht und damit unweigerlich zu einem alliierten Untergang führen.

Man muß noch heute den Hut vor der raffinierten Verhandlungsstrategie des Zionismus ziehen, denn es steht zweifellos fest, daß die deutsch-russischen Gespräche auf seine Initiative zu buchen sind: Der deutsche Regierungsvertreter Warburg entstammte einer nach Rothschild-Vorbild international tätigen Bankierfamilie, die geradezu als das finanzielle Haupt des Zionismus bezeichnet werden kann. Zum Beispiel leitete US-Familienboß Felix M. Warburg das 1906 gegründete "American Jewish Committee" und stieg später zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats der "Jewish Agency" und zum Finanz-Weltpräsidenten sowie Vorsitzenden der "Jewish Council of the Jewish Agency" auf. Ein anderes Beispiel: Unter den Präsidenten des 1880 zu St. Petersburg aus der Taufe gehobenen "Ort Reconstruction Fund", der das prä-zionistischen Ziel verfolgte, "die Juden Osteuropas in Zusammenarbeit mit den verschiedenen nationalen Regierungen" auf Farmen anzusiedeln [76], findet sich der Name des Bankiers Paul Felix Warburg.[77] Oder: Der Hamburger Botaniker Otto Warburg, ein Bruder des in deutschem Auftrag um Frieden sondierenden Kredithais Max, war 1909-11 Mitglied des engeren Aktionskomitees der zionistischen Weltorganisation, 1911-1920 ihr Präsident und seit 1925 Direktor der palästinensischen Abteilung der Jüdischen Universität Jerusalem.

Die Familienzweige stimmten ihre zionistischen Belange eng miteinander ab und korrespondierten über den weltweit operierenden jüdischen Freimaurerorden "B´nai B´rith", dem wohl schon bei der Vorbereitung des Weltkrieges eine Schlüsselrolle zugefallen war. Erinnern wir uns noch einmal des Beginns der britischen Einkreisungspolitik, der aus der Synagoge heraus maßgeblich über den israelitischen Finanzmann Sir Ernest Cassell lanciert worden war. Damals hatte der englische Beobachter Brian Connell in einer biographischen Studie über die Verbindungen Cassells geschrieben:
"Die kleine internationale Bruderschaft, in der er vielleicht die führende Position übernahm, setzte sich aus Männern zusammen, die einen ihm ähnlichen Hintergrund hatten. Es waren Menschen, an die Cassell im Zuge seiner ausgedehnten Reisen selbst herangetreten war. Da war Max Warburg, Kopf eines großen und privaten Bankhauses in Hamburg. (Es folgen fortgesetzte Aufzählungen von Prominenten, der Verf.) Bindungen der Rasse und des Interesses ketteten diese Männer aneinander. Das Netz ihrer Verbindungen zitterte bei der leisesten Berührung. Sie hielten zwischen sich ein unglaublich akkurates Netzwerk ökonomischer, politischer und finanzieller Spionage der höchsten Stufe aufrecht."
Nun gilt es zu bedenken, daß der Zionismus und vor allem die Familie Warburg dem Geheimvatikan immer sehr nahestanden. Dieser plante - das eine oder andere wurde von unvorsichtigen jüdischen Kommentatoren bekanntlich schon Jahre vor Ausbruch des Krieges der Öffentlichkeit bekannt gegeben - 1. die deutsche Niederlage, 2. eine Revolutionierung Rußlands und 3. eine israelitische Renaissance an der Seite Britanniens. Deshalb führte Max Warburg seine Gespräche mit Protopopow entgegen Berliner Weisungen sehr wahrscheinlich einzig und allein zu dem Zweck, Zions Position gegenüber den Briten zu stärken und gegebenenfalls den Preis in die Höhe treiben zu können. Sicher ist, daß den Briten die sich abzeichnende Kriegswende keineswegs verborgen blieb: Noch während Protopopow und Warburg miteinander konferierten, berichtete der Leiter des englischen Militärgeheimdienstes in Rußland nach London. Und Samuel Hoare vermied es als Zionist nicht, die Lage für die Downing Street rabenschwarz zu malen.[78]

Nur wenige Wochen später nahm die hebräische Nationalstaatsbewegung dann tatsächlich Kontakt zum englischen Außenministerium auf. Ganz vorsichtig spielt Blanche Dugdale in ihrer Balfour-Biographie darauf an, wenn sie schreibt:
"Im Oktober 1916 brachten Ereignisse die Führer des Zionismus dazu, das Einvernehmen, das sie in den vergangenen zwei Jahre angesammelt hatten, auf die Probe zu stellen. Palästina war noch immer türkische Provinz, aber außerhalb (des Nahen Ostens, der Verf.) hatten sich weitreichende Umgestaltungen ergeben. Rußland schien den Kriegsschauplatz zu verlassen und es gab Anzeichen dafür, daß Amerika ihn bald betreten würde. Über die Hälfte aller Juden lebte in diesen beiden Ländern. Nie wieder zu einem späteren Zeitpunkt würde die jüdische Meinung wichtiger für die kriegführenden Staaten sein, als jetzt. Tatsächlich notierte das englische Außenamt gerade in diesem Jahr mit Interesse Hinweise in der deutschen Presse über die Möglichkeit eines jüdischen Staates in Palästina, natürlich unter Türkischer Oberhoheit... Daher legten die Zionisten in diesem Oktober 1916 ihr erstes formales (Kriegs-) Programm dem Foreign Office vor." [79]
Soweit Blanche Dugdale. Interessant sind an diesen Ausführungen vor allem zwei Punkte. Zunächst ist das die Anspielung auf die deutschen Pläne zur Errichtung eines jüdischen Palästina. Daß es deutsche Bestrebungen gegeben hat, jüdische Erwartungen auf Palästina zu befriedigen, ist zwar bis heute kaum bekannt geworden, dürfte aber angenommen werden, zumal in der Wilhelmstraße nicht weniger intelligente Leute als in der Downing Street oder am Quai d´Orsay gesessen haben dürften. Lazar Felix Pinkus schreibt in seinem Buch "Von der Gründung des Judenstaates", "daß jahrelang die zionistischen Institutionen in Palästina mit der zionistischen Leitung in Berlin vermittels des Auswärtigen Amtes in Berlin verkehren konnten."[80] Dabei hatten Deutschland und die Türkei die Unterstützung des "engeren Aktionskomitees des Zionismus" (dessen Sitz immer Berlin war), und das unter Rechtsanwalt Dr. Handtke gegen die neuen Nordauschen Pläne der Entente-Zionisten kämpfte.[81] Sehr wahrscheinlich sehen wir hier einen teutonischen Faden der zionistischen Verhandlungstaktik gegenüber London, wie das oben schon angedeutet wurde. Ganz offenbar lehnen sich die Zeitungsberichte auch unmittelbar an die Stockholmer Warburg-Mission an.
Manchem Leser - dies Punkt 2 der Anmerkungen - mögen die Ausführungen der Autorin etwas unklar und verschwommen scheinen. Da sich die Tendenz, anzudeuten und zwischen den Zeilen zu schreiben, bei den nachstehend aufgeführten Chronisten fortsetzen wird, soll auch hierzu eine logische Erklärung gegeben werden: Wir sehen uns hier und im folgenden sehr seltenen und ausgesuchten Quellen gegenüber, die überaus delikate Bündnisverhandlungen Zions mit seinem langjährigen Schützling England schildern. Im Zuge dieser Gespräche versuchte eine überstaatliche Organisation von einer Weltmacht ersten Ranges in ihrem Anliegen ernstgenommen werden. Vielen britischen Ministern war der Zionismus gar kein Begriff, und so oblag es diesem, seine Macht entsprechend unter Beweis zu stellen. Die Nationalstaatsbewegung tat das, indem sie ihre über alle Welt verteilten Anhänger zu engster Kooperation aufforderte. Da Juden auf beiden Seiten der Front einflußreichste Positionen der Finanz, Politik, Presse, Wirtschaft usw. bekleideten, und viele unter diesen dem zionistischen Gedanken zuneigten, konnte die Dachzentrale - wo immer sie auch ihren Sitz haben mochte - das Kriegsgeschehen hier wie dort entscheidend mitbestimmen... Der Gedanke liegt nicht fern, daß wir hier den Bereich krimineller Erpressung betreten. Das gilt es im folgenden vor Augen zu behalten, wenn die eine oder andere Auslassung etwas vage scheinen mag.

Beginnen wir mit einem grundsätzlichen Artikel, den der "Generalsekretär der englischen Judenheit", Lucien Wolff unter dem Titel "Der Jude in der Diplomatie"[82] verfaßte. Hier schrieb er in Bezug auf den ersten Weltkrieg folgende interessante Sätze:
"In dem neugeschaffenen Intelligenz- und Propagandadienst, der allen Außenministerien attachiert war, wurden zahlreiche Juden, die den traditionellen kosmopolitischen Weitblick besaßen und fremde Sprachen beherrschten, rasch eingestellt. Es ist ein bemerkenswerter Umstand, der nicht allgemein bekannt ist, daß alle Kriegführenden die Bedeutung, sich die Unterstützung der Juden zu sichern, nicht richtig einschätzten. Deshalb organisierten die Außenministerien von London, Paris und Berlin spezielle jüdische Departements, in welchen das Studium jüdischer Fragen konzentriert wurde. Die Geschichte der Konkurrenz zwischen diesen Departements in der Palästinafrage, welche die zionistischen Führer so geschickt benutzten, muß noch geschrieben werden. Von Anfang an waren die zionistischen Tendenzen des Londoner Außenministeriums gekennzeichnet durch die Ernennung eines Beamten für das neue jüdische Departement, der, obgleich kein Jude, ein Verwandter und Namensvetter eines berühmten Diplomaten, Journalisten und Literaten war, der als einer der Pioniere der zionistischen Idee gilt. In Paris und Berlin wurden die jüdischen Departements von berühmten jüdischen Professoren geleitet, deren Interesse am Zionismus jedoch lau war. Der eine war Professor Sylvain Lévi, der eminente Sanskritgelehrte und gegenwärtige Präsident der ´Alliance israélite universelle´, und der andere Professor M. Sobernheim, gleichfalls eminent als Orientalist. Das britische und das französische Departement sind jetzt aufgehoben, aber das jüdische Departement in der Wilhelmstraße funktioniert noch unter der Leitung von Professor Sobernheim. In Anerkennung der Dienste, die Professor Sylvain Lévi dem Quai d`Orsay leistete, wurde dessen Sohn, Daniel Lévi, in den distinguierten Kreis der französischen Diplomatie aufgenommen."
Die näheren Hintergründe jener Konkurrenz zwischen den genannten Departments in der Palästinafrage, "welche die zionistischen Führer so geschickt benutzten" (Wolff) beschrieb mit gebührendem Zeitabstand der leitende zionistische Funktionär Samuel Landman.[83] Indem er einigen noch zu schildernden Zusammenhängen vorgriff, enthüllte Landman zwanzig Jahre nach den Ereignissen die Hintergründe der alliierten Bemühungen um das Judentum wie folgt:
"Während der kritischen Tage des Jahres 1916, als der Abfall Rußlands drohte und die jüdische Meinung generell antirussisch war, als das Judentum Hoffnungen hegte, daß ein siegreiches Deutschland unter gewissen Voraussetzungen Palästina den Juden übereignen werde, wurden durch die Alliierten verschiedene Versuche unternommen, Amerika auf seiner Seite in den Krieg zu ziehen. Diesen Versuchen war kein Erfolg beschieden. Mr. James A. Malcolm, der sowohl über die deutschen Vorkriegsbemühungen, sich durch zionistische Juden einen festen Stand in Palästina zu sichern als auch über die unfruchtbaren anglofranzösischen Fühlungnahmen in Washington und New York informiert war, wußte (ferner), daß Woodrow Wilson aus guten, hinreichenden Gründen den Ratschlägen eines überaus prominenten Zionisten die größte Wertschätzung beilegte (dem Richter Brandeis vom amerikanischen obersten Bundesgericht). Malcolm stand zudem in engem Kontakt zu Herrn Greenberg, dem Herausgeber des in London erscheinenden ´Jewish Chronicle´. Er wußte ferner, daß angesichts der vor der Tür stehenden Ereignisse verschiedene wichtige Führer des Zionismus vom Kontinent nach London gravitierten. Er taxierte und begriff die Kraft und Stärke der jüdisch-nationalen Bestrebungen und ergriff spontan die Initiative, um zunächst Sir Mark Sykes, den Unterstaatssekretär des Kriegskabinetts, und dann Monsieur (Georges, d. Verf.) Picot von der französischen Botschaft in London sowie Monsieur Gour (anderwärts Gout genannt, der Verf.) von der Ostabteilung des Quai d´Orsay davon zu überzeugen, daß der beste und vielleicht einzige Weg, den amerikanischen Präsidenten zum Kriegseintritt zu bewegen, darin bestünde, sich die Mitwirkung des zionistischen Judentums zu sichern, indem man ihm Palästina verspräche. Auf diese Weise könnten die Alliierten die bisher ungeahnte Macht des zionistischen Judentums in Amerika und anderwärts auf der Basis einer entsprechenden Gegenleistung zu ihren Gunsten rekrutieren und mobilisieren... Eine interessante Darlegung der in London und Paris geführten Unterredungen und der daraus nachfolgenden Entwicklungen ist bereits in der jüdischen Presse erschienen und braucht hier nicht im Detail wiederholt zu werden." [84]
Machen wir hier eine kurze Pause, um den von Landman erwähnten James A. Malcolm zu hören. Dieser - ein britisch-armenischer Jude - berichtet uns:
"Während einer meiner Besuche beim War Cabinet Office in Whitehall Gardens im letzten Herbst 1916, traf ich Sir Mark Sykes weniger ´bouyant´ als üblich an. Da ich seine Familie seit langem kannte und unsere Beziehungen keinen Einschränkungen unterlagen, fragte ich, was ihn bedrücke. (Sykes spricht von der schlechten militärischen Lage, die fehlgeschlagenen Versuche Amerika zu einem Kriegseintritt zu bewegen, da die einflußreichen US-Juden prodeutsch seien) (Hierauf) informierte ich ihn, daß es einen Weg gebe, die amerikanische Judenheit vollkommen für die Alliierten zu gewinnen und sie zu überzeugen, daß allein ein alliierter Sieg zum Vorteil des Weltjudentums sei. Ich sagte zu ihm: ´Sie fassen das Problem falsch an. Die wohlhabenden englischen Juden, die Sie treffen, und der jüdische Klerus sind nicht die wahren Führer des Judentums. Sie haben den Nationalismus übersehen. Kennen sie die zionistische Bewegung?´ Sir Mark gab zu erkennen, daß er sich da nicht auskenne, und ich klärte ihn entsprechend auf und schloß mit den Worten: ´Sie können sich allein der globalen Sympathie des Judentums versichern, indem Sie Palästina anbieten.´" [85]
Laut "World Jewry" erhielt Sir Mark Sykes daher vom Kriegskabinett die Erlaubnis, Mr. Malcolm zu ermächtigen, sich den Zionisten auf dieser neuen Grundlage zu nähern. Mr. Greenberg veranstaltete eine Zusammenkunft zwischen Mr. Malcolm, Dr. Weizmann und Mr. Sokolow, den Mr. Malcolm dann wieder mit Sir Mark Sykes und später mit den Herren Picot und Gout in Verbindung brachte.[86]

Malcolm weiter:
"Die Gespräche resultierten in einem grundlegenden, wie ich sagen würde ´Gentleman´s Agreement´, daß die Zionisten für die aktive jüdische Sympathie und Unterstützung im Sinne der Alliierten wirken sollten, insbesondere in den Vereinigten Staaten, dergestalt daß eine radikal pro-alliierte Stimmung in diesem Lande entstehe, und daß das britische Kabinett im Gegenzug den Juden zu Palästina verhelfen werde."[87]
Wie das nun organisatorisch bewerkstelligt wurde und wie es schließlich auch gelang, erfahren wir wieder bei Landman - in Verbindung mit der "World Jewry". Landman eröffnet:
"Man sollte sich jedoch ins Gedächtnis zurückrufen, daß unmittelbar nach Fixierung des stillschweigenden Abkommens zwischen dem vom britischen Kriegskabinett autorisierten Sir Mark Sykes und den Zionistischen Führern, den letzteren Nachrichteneinrichtungen ("cable facilities") des War Office, des Außenministeriums und britischer diplomatischer Vertretungen zur Verfügung gestellt wurden, damit diese die glücklichen Neuigkeiten an ihre Freunde und Organisationen in Amerika und aller Welt übermitteln konnten."[88]
Die "World Jewry"-Berichte schreiben etwa über die gleiche Zeit:
"Nachdem zwischen Sir Mark Sykes, Weizmann und Sokolow eine Übereinkunft hergestellt worden war, wurde beschlossen, Richter Brandeis eine geheime Mitteilung zukommen zu lassen, daß das Britische Kabinett den Juden zur Gewinnung Palästinas verhelfen würde im Gegenzug zu aktiver jüdischer Sympathie und Unterstützung in den U.S.A. im Dienste der Alliierten, indem man eine radikal pro-alliierte Tendenz in den Vereinigten Staaten entfache. Diese Nachricht wurde verschlüsselt durch das englische Außenministerium übermittelt... Geheime Nachrichten wurden ebenso an die zionistischen Führer in Rußland gesandt, um diese zu ermutigen und von ihnen ihre Unterstützung für die alliierte Sache zu gewinnen, was durch die russische Mißhandlung der Juden in Mitleidenschaft gezogen war. Nachrichten wurden ebenfalls an jüdische Führer in den neutralen Staaten gesandt.. Zu dieser Zeit war die allgemeine Wehrpflicht in Kraft, und nur jene, die eine Arbeit von nationalem Interesse verrichteten, konnten vom aktiven Dienst an der Front freigestellt werden. Ich erinnere mich, daß Dr. Weizmann einen Brief an General Macdonogh, den "Director of Military Operations" sandte, in welchem er diesen um Beistand hinsichtlich von Ausnahmeregelungen von Leon Simon, Harry Sacher, Simon Marks, Hyamson Tolkowsky und mir selbst ersuchte... Simon Marks erreichte das Büro bereits uniformiert und nahm umgehend die Aufgabe in Angriff, ein Büro zu organisieren, das, wie man leicht begreifen kann, die ständige Verbindung mit den Zionisten in den meisten Ländern aufrechtzuerhalten hatte... Von diesem Zeitpunkt an wurde der Zionismus über mehrere Jahre hinweg als Verbündeter der Britischen Regierung betrachtet und jede Hilfe und Assistenz stand uns von jeder Regierungsstelle zur Verfügung. Paß oder Reiseschwierigkeiten lösten sich in Luft auf, wenn ein Mann von unserem Büro vorgeschlagen worden war. Beispielsweise akzeptierte das Home Office zu dieser Zeit ein von mir signiertes Zertifikat, nach dem ein ottomanischer (türkischer, der Verf.) Jude nicht als Feind, wie das bei Türken gewöhnlich der Fall war, sondern als Freund zu behandeln war.[89]
Und indem wir Landman das letzte Wort geben, erfahren wir noch:
"Der Wechsel der offiziellen und öffentlichen Meinung, der in der amerikanischen Presse dergestalt zum Ausdruck kam, daß für einen Kriegseintritt Amerikas auf Seiten der Alliierten Stimmung gemacht wurde, war erfreulich, da er überraschend schnell zu Buche schlug... Infolgedessen war - nachdem die Zionisten ihre Vertragsversprechen erfüllt und in höchstem Grade dazu beigetragen hatten, Amerika in den Krieg hineinzubringen - die Balfour-Deklaration des Jahres 1917 (das ist das englische Versprechen, den Kindern Mose Palästina zu erobern) nichts anderes als eine öffentliche Bekräftigung des seinerzeit notwendigerweise geheimgehaltenen, stillschweigenden Abkommens aus dem Jahre 1916, das mit vorherigem Wissen, Zustimmung und /oder Genehmigung der Juden und der britischen, amerikanischen, französischen und anderer alliierter Regierungen fixiert worden war. Sie (die Balfour-Deklaration) war keine freiwillig-selbstlose oder romantische Geste seitens Großbritanniens, wie bestimmte Leute diesen Akt infolge entschuldbaren Unwissens oder unentschuldbaren Übelwollens mißinterpretieren..."[90]
Also noch einmal im ganzen: Während einer der prominentesten Vertreter des Zionismus über Deutschland ein Ausscheiden Rußlands aus der alliierten Kriegskoalition vorantreibt, werden die gleichen Kräfte beim englischen Außenministerium vorstellig. Hier sehen wir einen ihrer Abgesandten, James Malcolm. Er nähert sich Unterstaatssekretär Sir Mark Sykes, dem Nahostbeauftragten der Regierung und weist ihn auf die Bestrebungen der Zionisten hin. Nur diese, sagt Malcolm zu Sykes und anderen Regierungsmitgliedern[91], seien imstande, den Krieg für sie zu gewinnen. Nur die hintergründige Macht der Zionistischen Internationale könne beispielsweise Rußland im Krieg halten und die USA als neuen Partner hinzugewinnen. Dafür müsse man diesen nationalgesinnten Juden natürlich eine Gegenleistung versprechen, die ihren Plänen gemäß nur in Palästina bestehen könnte. Nach langen Beratungen wurde dann auch Sir Mark Sykes von seiner Regierung entsprechend beauftragt, und die Vereinbarung mit den Zionisten kam zustande. Die getroffenen Vereinbarungen wurden mit Hilfe des britischen Auswärtigen Amtes an alle Orte geleitet, wo immer nur Zionistenbewegungen zu finden waren. Unmittelbar danach konnte man einen völligen Umschwung in der amerikanischen Presse und den amtlichen Stellen zugunsten eines Bundes mit den Alliierten feststellen. Die Zionisten waren es daraufhin, die Amerika in den Krieg brachten. Ebenso erfreulich veränderte sich über Nacht die Lage in Rußland. Die Zionisten arbeiteten dann auf ihre Weise und halfen, Amerika in den Krieg zu bringen. Die Balfour-Deklaration vom 2. November 1917 aber war nur die öffentliche Bestätigung der mündlichen Übereinkunft vom Jahre 1916. - Soweit ein stolzer Grobabriß der Ereignisse aus der Sicht jüdischer Zeitungen.[92]

Viele nichthebräische Fachleute außerhalb der zionistischen Bewegung haben die Wahrhaftigkeit der geschilderten Zusammenhänge bezeugt. Bei Henry Wickham Steed, dem damaligen außenpolitischen Schriftleiter der "Times", der die besten Beziehungen zur britischen Regierung unterhielt, finden wir bereits 12 Jahre früher fast dieselbe Darstellung wie bei Landman.[93] Schließlich finden wir dieselbe Überlieferung auch bei Temperley.[94]

Mit gebührendem Zeitabstand wurde diese Hintergrundanalyse auch von höchstrangigen englischen Politikern bestätigt.

Am 7. Februar 1937 schrieb die "London Jewish Chronicle":
"Der einzige Weg, den amerikanischen Präsidenten Wilson in den Weltkrieg zu bringen, war, sich die Mitarbeit der zionistischen Juden zu verschaffen, indem man ihnen Palästina versprach. Die Zionisten erfüllten diese Aufgabe und halfen, Amerika in den Krieg zu bringen. Der frühere britische Premierminister Lloyd George bestätigte dies in einem Kabel an 'Associated Press' vom 15. Juni 1936 von London."
Lloyd George brachte seine Weltkriegserfahrungen zu dieser Zeit auch ganz offen von der politischen Bühne herunter zum Ausdruck. Im House of Commons sagte er im Zuge einer Debatte über das Palästinamandat - ebenfalls im Juni 1936:
"Es war während einer der schwärzesten Perioden des Krieges, als Mr. Balfour seine Deklaration vorbereitete. Lassen Sie mich dem Haus die näheren Umstände ins Gedächtnis rufen. Zu dieser Zeit hatte die französische Armee gemeutert, die italienische Armee stand am Rande des Zusammenbruchs und die Vereinigten Staaten hatten sich noch nicht im Ernst auf ihre Aufgabe vorbereitet. Britannien stand alleine der mächtigsten militärischen Kombination gegenüber, die die Welt je gesehen hat. Es war wichtig für uns, nach jeder legitimen Hilfe umzuschauen, die wir finden konnten. Durch Informationen, die wir von allen Teilen der Welt erhielten, kamen wir zu dem Entschluß, daß es lebenswichtig war, die Sympathien der jüdischen Gemeinschaft zu erlangen... Unter diesen Umständen und auf den Ratschlag, den wir erhielten, entschieden wir, daß es wünschenswert sei, sich die Sympathie und Mitarbeit der bemerkenswertesten Gemeinschaft, die der Juden der ganzen Welt, zu sichern. Sie waren hilfreich in Amerika und in Rußland, das zu diesem Moment gerade im Begriff stand kehrtzumachen und uns allein stehen zu lassen. In diesen Zusammenhängen schlugen wir die unseren Alliierten vor. Frankreich akzeptierte, die Vereinigten Staaten akzeptierten und alle Nationen, die die Liga der Nationen bildeten, akzeptierten. Und die Juden - Ich stehe hier, um diese Tatsache zu bezeugen - reagierten mit all dem Einfluß, den sie besitzen, würdig auf unseren Appell."[95]
Ende der 30er Jahre schrieb derselbe Lloyd George:
"Für die Alliierten gab es zu dieser Zeit zwei Hauptprobleme. Das erste bestand darin, daß die Mittelmächte durch unsere Blockade vor jenem Zeitpunkt gebrochen werden sollten, da unsere von auswärts bezogenen Nachschublieferung an Nahrung und Kriegsmaterialien durch das Versenken unserer Schiffe unterbrochen würde. Das andere war, daß die Kriegsvorbereitungen in den Vereinigten Staaten zu einer solchen Stufe hochgeschraubt werden sollten, daß sie die Alliierten (im Bedarfsfall) adäquat verstärken konnten. Bei der Lösung dieser zwei Probleme spielte die öffentliche Meinung in Rußland und Amerika eine große Rolle, und wir hatten zu dieser Zeit jeden Grund anzunehmen, daß in beiden Ländern die Zu- oder Abneigung der jüdischen Rasse einen bedeutenden Unterschied ausmachte... Die Lösung der deutschen Nahrungs- und Kriegsmaterialschwierigkeiten hing von der Haltung Rußlands und dem guten Willen seines Volks ab. Ebenso wie die Deutschen erkannten wir, daß Rußland mit seiner Armee keine weitergehenden Schritte in diesem Krieg unternehmen konnte, aber die Frage lautete: wann würde das Land mit Deutschland Frieden schließen, und wie würde dieser Frieden aussehen? Der Zeitfaktor zählte für beide Seiten, und die Beschaffenheit und der Charakter des Friedens zwischen Deutschland und Rußland zählte noch mehr. Würde der Frieden von der Art sein, daß er Deutschen Lieferungen von Getreide, Öl und Kupfer aus den grenzenlosen Naturressourcen dieses ausgedehnten und reichen Landes gewährte oder würde es nur zu einem schlechten Ende kommen, das den deutschen Versuchen ihre Lager aus russischen Beständen zu ergänzen, im Wege stehen würde?"[96]
Lloyd Georges Nachfolger im Amt eines langjährigen Kriegspremiers, der seinerzeitige Marinechef Winston Churchill, ergänzte am 21. Juli 1937 vor dem House of Commons:
"Es ist eine (Selbst-) Täuschung, anzunehmen, dies (die Balfour-Deklaration) sei lediglich ein Akt kämpferischer Begeisterung oder wirklichkeitsfremder Philosophie gewesen. Im Gegenteil, es war eine Maßnahme, getroffen... in der gewaltigen Notlage des Krieges, mit der Absicht, den allgemeinen Sieg der Alliierten, für den wir wertvolle und wichtige Unterstützung suchten und erhielten, ins Werk zu setzen."[97]
Mordecai Chertoff, der Herausgeber der Herzl-Presse stimmt dem zu, indem er den "Palestine Royal Commission Report" aus dem Jahre anführt:
"Die Tatsache, daß die Balfour-Deklaration im Jahre 1917 veröffentlicht wurde, um die jüdische Unterstützung für die Alliierten zu gewinnen, und die Tatsache, daß diese Unterstützung (tatsächlich) in Erscheinung trat..." vergegenwärtigt, daß, "...die Balfour Deklaration den Alliierten zum Sieg verhalf..."[98]
Soweit die hauptsächlichen Darstellungen zu den Hintergründen des zionistischen Palästina-Schachers. Diese Veröffentlichungen, die manchen Leser ob ihrer Inhaltsschwere verwirren mögen - viele Hintergründe werden sich noch im folgenden aufklären - diese Veröffentlichungen genießen hohen Seltenheitswert. Sie erschienen fast ausschließlich in jüdischen Zeitungen, und dort wurden sie auch erst dann ausgestreut, als es einmal mehr darum ging, die britische Regierung unter Druck zu setzen; das war in den Jahren nach dem Krieg, als sich London beharrlich weigerte, zu seinem Versprechen zu stehen.

Wie der Zionismus mit England handelseinig wurde

Nun wollen wir die ganze Geschichte aus einer anderen Perspektive beleuchten, und zwar aus der der britischen Regierung. Wie hatte es der Zionismus erreicht, in der Downing Street eine Mehrheit für sein ehrgeiziges Programm zu finden? Wie gelang es, die Führer der damals mächtigsten Nation der Erde davon zu überzeugen, daß sie für einen eingetragenen Verein mit dem Leben von Hunderttausenden von Soldaten zu bürgen hätten? Bekanntlich hatte der Zionisten-Präsident Weizmann bereits zu Anfang des Krieges seine Fühler nach London ausgestreckt und war dabei auf eine ernüchternde Haltung gestoßen. Hatte der zweijährige Kampf auf den Schlachtfeldern Europas den mit harten Bandagen Umworbenen endlich weichgeklopft, seine Sicht der Dinge grundlegend geändert?

Die Antwort lautet überraschenderweise: Nein. Tatsächlich hatte sich seit 1914 in der Haltung der führenden Männer zur Palästinafrage kaum eine Änderung ergeben. Während sich der jetzt wesentlich kriegslustigere Lloyd George nach wie vor dem Zionismus als verläßlicher Bundesgenosse empfahl, lehnte Ministerpräsident Asquith wie ehedem die Weizmannschen Aspirationen ab. Geradezu irrsinnig erschien ihm die Forderung, aus den Hauptkampflinien der Westfront, wo jedes Gewehr zählte, ganze Bataillone abzuziehen, um mit diesen am Ende der Welt einen Wüstenkrieg auszufechten.

Unterstützung erhielt Asquith vor allen aus den Reihen des kampferfahrenen Militärs. Allen voran stärkten Kriegsminister Lord Kitchener, der Oberbefehlshaber in Frankreich, Sir Douglas Haig, sowie der spätere Chef des englischen Generalstabs Sir William Robertson ihrem Chef den Rücken, keinesfalls auch nur einen Mann aus den Schützengräben der Westfront abziehen zu lassen. Damit standen Weizmann & Co. zunächst einmal vor einer Einbahnstraße. Was sollte man angesichts eines politischen und kriegstechnischen Pressionen unzugänglichen Kabinetts tun, das man als Verhandlungspartner benötigte? Der Geheimvatikan entschied, daß es nötig sei, sich eine neue Regierung zu suchen. Da in Kriegszeiten keine öffentlichen Wahlen abgehalten werden, sollte es einem Putsch vorbehalten bleiben, vorteilhaftere Verhältnisse zu schaffen.[99]

Die Trumpfkarte gegen den widerstrebenden Ministerpräsidenten war aus Sicht des Zionismus der machtambitionierte Lloyd George. Verschiedene Autoren behaupten, daß der rotschöpfige Heißsporn selbst Jude gewesen sei und ursprünglich David Levi geheißen habe.[100] Fakt ist, daß sich der Lebensweg des gebürtigen Walisers auffallend oft mit den Geschicken des auserwählten Volkes kreuzte. Vor einer applaudierenden Zionistenversammlung in London sagte er später einmal: "Ich wurde an einer Schule erzogen, wo ich mehr über die Geschichte der Juden unterrichtet wurde als über die Geschichte meines eigenen Landes."[101] Vielleicht waren gerade deshalb nach Abschluß der Ausbildung zum Rechtsanwalt ausgerechnet die Zionistischen Bewegungen in Manchester und London die ersten zahlenden Klienten und Brötchengeber des vielversprechenden Mannes. Und vielleicht erklärt sich so die Feststellung, daß er im Jahre 1903 - vor Beginn seines steilen Aufstiegs - Theodor Herzls Bevollmächtigter geworden sei.[102]

Mit dem Kriegsbeginn im Sommer 1914 blickte die Öffentlichkeit auf Lloyd George, der - traditionell ein Pazifist - allgemein als Führer der Radikalen akzeptiert war. Was würde seine Haltung sein? Die Antwort war keine prompte. In der Tat legte er sich erst sechs Wochen nach Beginn des Krieges - als die deutschen Erfolge absehbar waren - in einer Rede in der Londoner "Queen´s Hall" auf diesen fest, und er präsentierte sich interessanterweise erst nach seinem Gespräch mit Weizmann als begeisterter Befürworter des gemeinsamen Kampfes gegen die Mittelmächte. Als das Kabinett Asquith im Mai 1915 zur Koalitionsregierung umgewandelt wurde, übernahm Lloyd George das neugeschaffene Munitionsministerium. Die Zeichen standen indes ebenfalls auf Wechsel im Kriegsministerium, da Lloyd George sehr früh begriff, worauf es in diesem Kriege ankam. So bezweifelte er schon früh die Möglichkeit eines alliierten Durchbruchs an der Westfront, weshalb er einen zusätzlichen Flankenangriff - ausgerechnet - im Nahen Osten befürwortete. Er traf hier auf die Opposition der Militärführung, die ihre auf die Westfront ausgerichtete Politik beibehielt, bis es zu einem folgenschweren "Unfall" kam:

Kriegsminister Lord Kitchener, der besonders vehement gegen die Pläne des Zionismus auftrat, war eine starke Autorität und darüber hinaus öffentlich populär. Das von ihm zu dieser Zeit vordergründig vertretene militärische Ziel war es, Rußland, so wie es war, im Kriege zu halten, womit er sich einmal mehr in Gegensatz zum Geheimvatikan setzte, welcher es ganz offen (siehe Weizmanns Vorsprache bei Scott) auf die Zerstörung des Zarenreiches abgesehen hatte. Am 5. Juni 1916 versank Kriegsminister Kitchener auf dem Weg nach Rußland, wo er auf Einladung des Zaren das russische Heer reorganisieren wollte. Er kam ums Leben. Angeblich war sein Schiff, der Kreuzer "Hampshire" auf eine deutsche Mine gelaufen. Nur der "Zufall" hatte es verhindert, daß sich Lloyd George nicht ebenfalls eingeschifft hatte. Er war für die Reise gebucht, war aber buchstäblich in letzter Minute - vorgeblich wegen aktueller Verpflichtungen in der irischen Frage - abgesprungen... Nach einigem Zögern übergab Asquith dem Glückspilz den vakanten Posten des Kriegsministers.

Unmittelbar nach dem Verschwinden Kitcheners weitete sich der Kreis der Intrige mit einer umfangreichen Pressekampagne aus. Die "Times" und die "Sunday Times" folgten in ihrem Zionismus-Enthusiasmus dem "Manchester Guardian", und in dem oder um das Kabinett herum traten immer mehr Männer in dieser völlig unerheblichen Frage an die Seite von Balfour und Lloyd George... Zur gleichen Zeit, da Colonel Lawrence die Araber zum Aufstand gegen die Türken aufstachelte[103], verkündete Lord Milner, daß "wenn die Araber denken, daß Palästina ein arabisches Land wird, so irren sie sich gewaltig". Philip Kerr (der spätere Lord Lothian, damals Sekretär Lloyd Georges) entschied, daß aus der Züchtigung des "verrückten Hundes in Berlin" ein "Jüdisches Palästina" herauskommen müsse. Und der Chefsekretär des Kriegskabinetts Sir Mark Sykes - "einer unserer hervorragendsten Freunde"(Weizmann) - verbreitete die Idee "der Befreiung der Juden, der Araber und der Armenier".

Ein weiterer Rekrut Zions, Lord Robert Cecil, bemächtigte sich der trügerischen Formel "Arabien den Arabern, Judäa den Juden, Armenien den Armeniern - zumindest das letzte Ziel wurde nach dem Krieg völlig aus den Augen verloren. Über Lord Robert, der als Blockademinister (1916-18) für den Tod hunderttausender deutscher Zivilisten verantwortlich war, sagte Weizmann:
"Für ihn waren die Wiederherstellung einer jüdischen Heimat in Palästina und die Organisierung der Welt in einem übergeordneten Bund zusätzliche Formen des nächsten Schrittes in der Handhabung der menschlichen Angelegenheiten... Einer der Gründer des Völkerbundes, betrachtete er das jüdische Heimatland von gleicher Wichtigkeit wie den Bund an sich."
Über allen Günstlingen und Speichelleckern der Etappe aber thronte die biegsame Gestalt Lloyd Georges. Der Zionismus wußte, daß er auf diesen Mann fest bauen konnte. Selbst auf dem Höhepunkt der zionistischen Verhandlungen, als Asquith Weizmanns Mannen die kalte Schulter zeigte, signalisierte Lloyd George der jüdischen Nationalstaatsbewegung überdeutlich, daß mit ihm all das möglich sei, wogegen sich sein Chef sträubte. Und so wurde beschlossen, einen selbstbewußten liberalen Regierungschef (Asquith) aus dem Weg zu räumen und durch eine Marionette aus derselben Partei zu ersetzen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, daß Lloyd George bis dato als Liebling des radikalen Fußvolks immer der gehaßte Gegenspieler des konservativen Koalitionspartners gewesen war. Selbst der rechte Flügel seiner eigenen Liberalen Partei begegnete ihm mit wenig Gegenliebe. So dauerte die "Überzeugungsarbeit" des Zionismus ein paar Tage länger, als dies bei einer anderen Persönlichkeit vielleicht der Fall gewesen wäre.

Nachdem es den hintergründigen Verschwörern letztlich gelungen war, eine parlamentarische Mehrheit für das Putsch-Unternehmen sicherzustellen, schlug Lloyd George am 25. November 1916 offen vor, daß sein Chef (Asquith) vom Vorsitz des Kriegsrates zurücktreten solle - und zwar zu seinen höchsteigenen Gunsten.

Normalerweise würde ein solches Ersuchen den sicheren beruflichen Selbstmord bedeuten, doch in diesem Falle handelte es sich um eine Koalitionsregierung, und der Anspruch des Liberalen Lloyd George wurde tatsächlich von den konservativen Führern Bonar Law und Edward Carson unterstützt - der Antrag war damit ein Ultimatum. Lloyd George forderte darüber hinaus, daß Balfour, ein Mann der Konservativen, von dem Amt des Ersten Lords der Admiralität enthoben werden sollte. Der aufgebrachte liberale Premier indes weigerte sich sowohl im Kriegsrat zurückzutreten als auch Balfour zu entlassen (4. Dezember). Als Balfour daraufhin selbst zurücktrat, schickte ihm Asquith umgehend eine Kopie seines Briefes, in dem er sich geweigert hatte, diesen von seinem Posten zu entbinden. Doch in diesem schmutzigen Spiel ging es einzig und allein darum, den Premierminister auszugrenzen, und so antwortete Balfour seinem treuen Helfer, daß er darauf bestehe, Lloyd Georges Ersuchen zu folgen und zurückzutreten. Auch Lloyd George verabschiedete sich aus der Regierung. Wie geplant, stand Asquith nun alleine.

Am 6. Dezember empfing Balfour seinen vermeintlichen Gegenspieler Lloyd George bei sich daheim. An diesem Nachmittag trafen sich die Parteiführer und gaben bekannt, daß sie gerne weiter zusammenarbeiten würden - und zwar unter Balfour. Balfour seinerseits winkte ab und erklärte, daß er gerne weiterregieren würde - und zwar unter Lloyd George. Und so bekam Großbritannien mit Lloyd George einen intriganten Putschisten zum Premier, der einen inkompetenten Mann - und zwar Balfour - zum Außenminister ernannte. Von diesem Moment an richtete die britische Regierung all ihre Energien vordergründig auf den Erwerb Palästinas für den Zionismus...

Der frischgebackene Premierminister bündelte umgehend alle seine Anstrengungen, um den Feldzug in Palästina in Gang setzen zu können. "Als ich meine Regierung bildete", schreibt Lloyd George selbst, "erörterte ich sofort mit dem Kriegsministerium die Frage eines weiteren Feldzuges Richtung Palästina." Sir William Robertson stützt diese Angaben:
"Bis zum Dezember 1916", erfahren wir aus der Feder des Generalstabschefs, "hatten Operationen jenseits des Suezkanals in erster Linie defensiven Aufgaben gedient, da die Regierung und der Generalstab gleichermaßen... die vordergründige Wichtigkeit des Kampfes in Europa und der Notwendigkeit, den dort kämpfenden Armeen das Maximum an Unterstützung zu geben, anerkannten. Diese Einmütigkeit zwischen den Ministern und den Soldaten dauerte nicht an, als das Amt des Premierministers wechselte... Der grundsätzliche Meinungsunterschied war insbesondere im Falle Palästinas durchdringend... Das neue Kriegskabinett war erst ein paar Tage im Amt, als es den Generalstab anwies, die Möglichkeit zu prüfen, die Operationen in Palästina auszuweiten." [104]

Und so setzte zur Freude "der Minister, die Palästina umgehend besetzt sehen wollten, noch in den letzten Tagen des Jahres eine große englische Angriffsoperation unter General Murray ein, die die Türken östlich des Suezkanals auf der Sinaihalbinsel zurückdrängte."[105]
Es war dies ein deutlicher Wink an den zionistischen Vertragspartner, der jetzt seinerseits auf der internationalen Bühne sein ganzes Gewicht für England in die Waagschale warf.

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