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Wolfgang Eggert




Erst Manhattan
Dann Berlin




Messianisten Netzwerke treiben zum Weltenende








ISBN 3- 935845- 09-X



Kein Teil des Textes darf in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Internationales Copyright bei Wolfgang Eggert und Chronos Medien-Vertrieb GmbH




Oh, I am the little Jew who wrote the Bible.
"You don´t know me from the wind
You never will, you never did."
I´m saying this to the nations.
The Jewish Book News Interview mit Leonard Cohen, 1994




First we take Manhattan, then we take Berlin

Sie verurteilten mich zu 20 Jahren der Langeweile
Wegen des Versuchs, das System von innen heraus zu verändern
Jetzt komme ich, ich komme um sie zu belohnen
Zuerst packen wir Manhattan, dann packen wir Berlin

Ich werde geleitet durch ein Zeichen am Himmel (Varianten:
einen Wink der Vorsehung bzw. einen Funkspruch Gottes)
Ich werde geleitet durch das Geburtsmal auf meiner Haut
Ich werde geleitet durch die Schönheit unserer Waffen
Erst packen wir Manhattan, dann packen wir Berlin

Ich würde wirklich gern mit dir zusammenleben, Schätzchen
Ich mag deinen Körper, deine Seele und deine Kleidung
Doch siehst du diese Trennlinie, die sich durch die Station zieht?
(Variante: Menschenschlange, die sich durch die Station bewegt )
Ich habe Dir gesagt, ich habe Dir gesagt, ich habe Dir gesagt,
daß ich einer von denen bin!

Ach, was hast Du mich als Verlierer geliebt,
aber jetzt fürchtest Du, daß ich gewinnen könnte.
Du weißt, wie Du mich stoppen könntest,
aber Du hast nicht das Zeug dazu.
Wie viele Nächte habe ich dafür gebetet, daß mein Werk beginne
Zuerst packen wir Manhattan, dann packen wir Berlin...

Wiederholt Ich würde wirklich gern mit Dir zusammenleben...
Wiederholt Ich werde geleitet durch ein Zeichen am Himmel...
Auslassung

Erinnere Dich an mich, ich pflegte für die Musik zu leben
Erinnere Dich an mich, ich brachte Deine Lebensmittel heim
Nun ist es Vater(´s)tag und jeder ist verwundet
Zuerst packen wir Manhattan, dann packen wir Berlin





Der okkulte Hintergrund eines "Propheten



Leonard Cohens Song kam geradezu leicht daher, als er erstmals veröffentlicht wurde. Niemand wäre ernsthaft auf die Idee gekommen, diesen Blitz am heiteren Himmel der 80er Jahren mit einer terroristischen Bedrohung in Verbindung zu bringen. Auch die Musikindustrie betrachtete die Reime als ebenso spannende wie gelungene Wortspielereien und beschloß ihrerseits, noch einen draufzusetzen: 1992 erschien eine CD unter dem Titel "Leonard Cohen Takes Manhattan" - was auf deutsch mehrdeutig, aber doch eher mit einem Augenzwinkern als "Leonard Cohen erobert Manhattan" zu übersetzen ist.

Zehn Jahre später gingen die Uhren anders: Die letzten Trümmernebel über dem zusammengestürzten World Trade Center hatten sich kaum gelichtet, da wurde Cohens Lied auch schon von sämtlichen amerikanischen Rundfunksendern auf den Index gesetzt und durfte für Monate nicht mehr gespielt werden. Zu stark war der Eindruck, dass der Text das Blickfeld eines jener High-Tech-Terroristen wiedergab, die sich gerade mit als Waffen entfremdeten Passagierflugzeugen in die Zwillingstürme des Welthandelszentrums gebohrt hatten.

Tatsächlich wurde der Komponist nach den Ereignissen von New York befragt, ob er hier frühzeitig die 9/11-Katatstrophe und die ihr zugrundeliegende Extremismusthematik vor Augen gehabt habe. Cohen antwortete positiv ("First We Take Manhatten might be understood as an examination of the mind of the extremist") [Transcript from Leonard Cohen´s Premiere Online Web Chat, 16. Oktober 2001, http://www.leonardcohen.com/transcript.html] und räumte damit ein, daß er sich als Prophet betätigt hatte.

Im Prinzip war das nichts Neues für den amerikanischen Poeten, der im Laufe seiner Karriere immer wieder endzeitliche Fragen aufwarf. Jahre hindurch hatte er das Ende, die nahende Apokalypse vorausgesagt. Mit Fall des eisernen Vorhanges erreichte diese Passion in zwei seiner besten Alben, - "I´m Your Man" (1988) und "The Future" (1992), - ihren Höhepunkt. In dieser Zeit schrieb er "First we take Manhattan". In dieser Zeit sagte er trotz der mit Enthusiasmus verkündeten Beendigung des Kalten Krieges eine mörderische Verschärfung der politischen Weltlage voraus. Um damit einhergehend in "Democracy is coming to the USA" die ebenfalls heute stattfindende Entliberalisierung der Vereinigten Staaten anzukündigen.

All diese erstaunliche Klarsicht liegt eingebettet in tiefes mosaisch-religiöses Empfinden. Und sie fügt sich in ein scharf umrissenes messianisches Erkennen, in dem "die heiligen (prophetischen) Bücher (am Schlußteil der Tage) weit geöffnet sind." Es ist indes kein gewöhnlicher jüdischer Zugang, der Leonard Cohens biblisch-astrologische Weltsicht ausmacht. Denn weniger die Thora inspirierte den Dichter, als eine ebenso mysteriöse wie sektiererische Geheimlehre: die zahlenmagische Kabbala.

Cohen selbst steht dazu. Auf seiner Internet-Seite findet sich die Auslassung von Elliot Wolfson, Professor für jüdische Mystik an der New York University, dass er an der McGill-Hochschule eine Vorlesung zum Thema "Das erstrahlende Neue Jerusalem: Die Lieder von Leonard Cohen nach einem kabbalistischen Schlüssel" halten werde. Er verbindet die Ankündigung mit der direkten Frage an seinen Protagonisten, ob dieser den Kabbalismus oder die Lehren seiner Traditionshalter - den Chassidismus - studiert habe. Cohen gibt sich bescheiden, aber seine Antwort ist klar: "Ich bin tief beeindruckt worden, durch das was ich las, und durch meine Gespräche mit noch lebenden chassidischen Meistern." [Transcript from Leonard Cohen´s Premiere Online Web Chat, 16. Oktober 2001, http://www.leonardcohen.com/transcript.html]



Sektierer zwischen Vorgestern und Übermorgen



In wohl keiner zweiten Glaubensgemeinschaft liegt die religiöse Prophetie so stark verankert wie im Judentum. Keine zweite Glaubensgemeinschaft ist in ihrer Eindeutigkeit vergleichbar auf eine noch ausstehende himmlische Erlösung ausgerichtet: Am Ende der Tage, so durchzieht es das Schrifttum der Israeliten, kommt der Messias. Er wird Jerusalem zu seiner Heimstatt machen. Er wird das auserwählte Volk endgültig aus dem Exil zusammenführen. Er wird unter den Staaten der Welt Frieden schaffen. So predigen es die Rabbiner in aller Welt seit Jahrtausenden. Die Synagoge ist zum Warten angehalten. Es ist ein Warten, in dem sich Ehrfurcht und Beklemmung die Hand reichen. "Möge er kommen", beten viele Kinder Mose über ihren Heiland. "Aber mögen wir es selbst nicht erleben." Denn die Geschichte seiner Niederkunft wird mit Unmengen an Blut geschrieben, welches aus dem Geburtswehen des Messias ausströmt.

Soweit die konventionelle Sicht des Judentums, die der Gefolgschaft eine passive Haltung vorgibt. Frei nach dem Wort "Der Himmel wird´s schon richten." Doch an genau diesem Punkt ist ein maßgeblicher Teil des Chassidismus bereit, einen ketzerischen Sonderweg zu beschreiten. Diese Kreise wollen in den Überlieferungen des Judaismus zwei Messiasse entdecken. Der sogenannte Messias ben David sei himmlischen, der Messias ben Joseph dagegen irdischen Ursprungs. Während sich der ungreifbar-göttliche Erlöser mit den Vorstellungen und Überlieferungen der Synagoge deckt, ist die zweite Gestalt scheinbar neu. Ihr - so die explosive Auslegung - falle die Aufgabe anheim, den Geburtsprozeß ben Davids in Gang zu bringen, indem sie die im Bibelschrifttum prophezeiten Endzeitszenarien in die Tat umsetze.

Das Wort "Gottes" müsse dabei als Auftrag zur Tat verstanden werden. Und natürlich hat der aktivistisch gepolte Chassidismus keinen Zweifel, daß ihm selbst die Rolle dieses geheimnisumwobenen "Vollstrecker Gottes" zukommt. Als Handlungsanweisung dient ihm dabei die vor Jahrtausenden niedergelegte Zukunftsschau des Judaismus. So arbeiten bis in die jüngste Zeit hinein chassidische Gelehrte an den Prophetien der Bibel. Sie suchen die offenen, die halbverschlüsselten, die allegorischen Ausblicke, analysieren und dekodieren diese mit Hilfe von Kabbala, Astrologie sowie altüberlieferter Buchstaben-/Zahlenschlüssel, um sie anschließend in eine Zeitachse einzupassen. Und geben ihre Erkenntnisse dann an politische Aktivisten weiter, die daraus vollendete Tatsachen zu schaffen haben.

Wohlgemerkt: Diese Gruppe ist nicht mit dem jüdischen Volk zu identifizieren. Und auch nicht mit der jüdischen Religion. Es ist eine kruden Geheimlehren frönende Sekte, die das eigentliche Wesen des Judentums mit Füßen tritt. Das ist ein nicht zu vernachlässigender Unterschied. Dies zumal die Tätigkeit dieser okkulten Fanatiker dem Judentum als Volk fast immer nur geschadet hat. Patriotische Liebe zum eigenen Volk ist den aktivistischen Chassiden nämlich völlig fremd. Stets ordneten sie das Schicksal des jüdischen Volkes der Bedeutung der Prophezeiungen unter.

So beklatschte einer ihrer beiden wichtigsten Exponenten, der Sohn des ersten israelischen Chefrabbis Zvi Jehudah Kook, gar den Holocaust als "himmlische Chirurgie". Als ein "tiefes, verstecktes, göttliches Heilverfahren, das darauf abzielt, uns von der Unreinheit des Exils zu befreien." So wie beide Weltkriege sei "auch der Holocaust eine Erschütterung, die Vernichtung einer verfaulten Kultur (jene des Exils) im Dienst der nationalen Wiedergeburt und der Erfüllung der Vision des geoffenbarten Endes." [AVINER, SHLOMO (Hrsg.), Sihot ha-Rav Zvi Yehudah, Keshet 1980 :{S.11}. RAVITZKY, AVIEZER, Messianism, Zionism and Jewish religious Radicalism, University of Chicago Press, Chicago 1996 :{S.109 sowie FN 117 auf S.271}] Ins gleiche Horn blies der Kook zumindest gleichgestellte und von der Lubawitscher- bzw. Chabad-Sekte als lebender Messias verehrte Rabbiner ("Rebbe") Schneerson. Gefragt, wie der Holocaust habe geschehen können, wenn der Gott Israels die Welt regierte, sagte er, es habe einen faulen Ast im Judentum gegeben, der abgesägt werden mußte. [YORAM KANIOK, Artikel "Gott schütze uns vor den Religiösen! Israel am Scheideweg, DIE ZEIT Nr. 34, 14.08.1997 Feuilleton]

Das erschreckende: Die weltfremden Ideen von Kook und Schneerson stehen keineswegs für sich allein: Weil es dem Chassidismus früh gelungen war, auch das Mainstream-Judentum mit einem engmaschigen Netz zu überziehen. Weil ihr Politkult über geheimdienstartige Strukturen verfügt. Und weil sich hinter dem Feigenblatt religiöser Frömmigkeit eine Arbeitsweise verbirgt, die nur mit jener der berüchtigten Loge P2 verglichen werden kann.

Eine hohe Aktivität geht dabei von dem vielleicht diesseitigsten Anlaufzentrum des Kults, der Chabad (Lubawitscher)-Bewegung aus, einer Bekehrungssekte, aber von spezieller Ausrichtung. Ihr Ziel ist es, alle Juden - ob Reformjuden, Konservative oder Orthodoxe - hyperjüdisch zu machen. In diesem Sinne wird kräftig missioniert, allerdings in einem sonderbaren Sinn: Anders als herkömmliche Sekten betreiben die Lubawitscher nämlich nicht den vollkommenen Übertritt der Neugeworbenen, sondern sie belassen die Missionierten in ihrer bisherigen Umgebung, auf dass sie dort im alten Gewand für die Sekte weiterwirken. Das verdunkelt die Sichtbarkeit nach innen wie außen und erhöht die Verbreitungseffizienz

Die Jewish Virtual Library weiß zu berichten: "Die Infrastruktur der Lubawitscher Bewegung ist seit dem Tod des Rebben (1994) noch einmal um 30 Prozent gewachsen und hat sich als jüdischer ´Global Player´ etabliert. Über 3700 Verbindungsemissäre arbeiten weltweit in über 100 Ländern. Seit 1995 wurden mehr als 400 shlichim (Emissäre) auf neue Posten verteilt und über 500 neue Chabad-Institutionen sind errichtet worden, womit die Gesamtanzahl nun nahezu bei 2600 Institutionen (Seminare, Tagescamps, Schulen etc.) weltweit liegt." [http://www.us-israel.org/jsource/Judaism/Lubavitch_and_Chabad.html]

Jerusalem Post sieht in der Chabad-Sekte "eine starke Macht", "eine Bewegung von monumentaler Bedeutung". Chabad ist, fährt Israels wichtigste Tageszeitung fort, "eine Organisation, die weltweit über immense Geldmittel verfügt (alleine das Budget für Rußland beträgt 20 Millionen im Jahr). Seine Rabbiner beherrschen jüdische Gemeinden in einer überraschend hohen Zahl von Ländern." [JERUSALEM POST, 19.10.2001]



Dem Schicksal die Bahn ebnen: Der Tempelbergfundamentalismus



Der vielleicht zentralste Ausrichtungspunkt der "Fullfill-Prophecy"-Aktivisten dreht sich um den Tempel des mythischen Judenkönigs Salomo.

Seit aus Kreisen der Bushadministration der Beginn des Dritten Weltkrieges (gegen den "Terror") verkündet wurde, blickt das Erlösungslager mit Hochspannung auf die alttestamentarischen Stätten Jerusalems. Grund: Für die "letzten Tage", in denen der apokalyptische Kampf der Supermächte Gog und Magog anhebt, erwartet man hier die Errichtung des dritten Tempels an vermeintlich historischer Stätte, auf dem Tempelberg - dort, wo heute mit der 1300 Jahre alten Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom (von hier aus stieg Mohammed nach muslimischer Tradition in den Himmel auf) zentrale Heiligtümer des Islam ihren Platz haben. Die sollen nun weichen.

Diese bis auf den heutigen Tag brisante Aspiration wurde mit Erfolg früh in die jüdische Nationalstaatsbewegung transportiert: So erklärte nach der Errichtung des Zionstaates im Jahre 1948 der israelische Oberrabbiner sofort, mit der Sammlung der Exilierten habe das Zeitalter der Erfüllung begonnen. Um dann anzufügen, "daß nicht Tel Aviv die Hauptstadt sein werde, sondern Jerusalem, denn dort stand Salomos Tempel, und die gesamte jüdische Jugend ist bereit, ihr Leben zu opfern, um den Ort ihres heiligen Tempels zu erobern." Das war nicht weniger als eine Aufforderung an die politischen Instanzen des Staates, entsprechende Taten folgen zu lassen. Womit die typisch israelische Vermischung politischer und geistlicher Interessen anhebt:

Der erste israelische Ministerpräsident David Ben Gurion etwa galt gemeinhin als ebenso pragmatischer wie diesseitig orientierter Mensch. Trotzdem versprach er 1948 "Wir werden historische Vergeltung an Assyrien (Irak), Aram (Syrien) und Ägypten ausüben" [ISRAEL SHAMIR, Der Schatten von Zog (Exegese eines Besson-Films), http://www.israelshamir.net/english/shadowofzog.html] und überfiel 1956 im tiefsten Frieden Ägypten, um auf dem Höhepunkt des Sieges das "Dritte Königreich" der biblischen Prophezeiung auszurufen. Und trotzdem sagte er "Israel ist sinnlos ohne Jerusalem und Jerusalem ist sinnlos ohne den Tempel." [WOLFGANG EGGERT, Im Namen Gottes. Israels Geheimvatikan - Vollstrecker biblischer Prophetie, Chronos-Medien, München 2001, Band 3 :{S.427}] Im Dezember 1949 legte Ben Gurion anläßlich seiner Ernennung zum Ehrenbürger von Jerusalem in einer Dankansprache ganz im Sinne der alttestamentarischen Vorlage nach: "Jerusalem ist nicht nur die Hauptstadt Israels und des Weltjudentums, sie wird nach den Worten der Propheten auch die geistige Hauptstadt der ganzen Welt werden. [Reuter-dpa-AP - Meldung vom 14. 12. 1949]

Der Zeitpunkt zur Einlösung dieses Wortes war gekommen, als 1967 der fünfzigste Jahrestag der britischen Balfour-Deklaration ins Land rückte. Jenem Jubiläumstag, an dem die Briten auf dem Höhepunkt des ersten Weltkrieges gelobt hatten, für die Errichtung einer jüdischen Heimstatt in Palästina zu kämpfen. Jetzt, da die erste Hälfte des messianischen "Countdowns" abgelaufen war, meldeten sich einmal mehr die Kabbalagelehrten zur aktuellen Lage zu Wort. Allen voran der Thora-Weise Schabatai Schiloh, der sein "Hirtenwort" auf das Buch Daniel und das zahlenmagische Grundlagenwerk Sohar gründete. "1517", so Schiloh, "begann in Jerusalem die Herrschaft der Osmanen, die nach acht Jubeljahren, das sind 400 Jahre, enden sollte, was dann auch durch die Briten 1917 geschah. Dem sollte ein weiteres Jubeljahr (50) Niemandszeit folgen und danach sollte Jerusalem wieder dem Volk Israel zufallen, siehe 1967." [NACHRICHTEN AUS ISRAEL, Monatsschrift, herausgegeben durch den Verein für Bibelstudium in Israel Beth-Shalom, CH-8330 Pfäffikon ZH, August 1980]

Die überwiegende Mehrzahl der Talmudgelehrten folgte diesem Standpunkt. Und aus ihrem Blickwinkel hatten nun Taten zu folgen. Deutlich zum Ausdruck brachte das der Sohn des ersten israelischen Chefrabbis, Zvi Jehudah Kook,, als er im Mai des Jahres am israelischen Unabhängigkeitstag unter seinen mystischen Chassiden von Merkaz Harav eine kriegerische Predigt hielt. Sie gipfelte in der klaren Feststellung, daß der geteilte Körper des Heiligen Landes bald wieder eins werde und daß die Juden erneut in der Lage sein würden, an den arabisch kontrollierten Stätten von Ost-Jerusalem, Hebron, Nablus und Jericho beten zu können. [MITTLEMAN, ALAN Jüdischer Fundamentalismus: Religion, Politik und die Transformation des Zionismus, http://www.kas.de/publikationen/1996/ai/09.html. Die Originalversion dieses Aufsatzes wurde am 11. 7. 1996 als Vortrag vor der Konrad-Adenauer-Stiftung gehalten]

Vier Wochen darauf besetzten israelische Truppen tatsächlich in dem von Tel Aviv vom Zaun gebrochenen "Sechs-Tage-Krieg" die Golanhöhen, den Gazastreifen, das Westjordanland, die Sinaihalbinsel und den arabischen Ostteil Jerusalems. Es war dieser punktgenau prophezeite Waffengang, welcher Kooks Lehre über einen beginnenden endzeitlichen Prozeß neue Kraft gab und in ganz Israel die Flamme des Messianismus zum Flächenbrand ausweitete. Über alle Parteigrenzen hinweg bis hinein in das Lager der schärfsten Säkularisten schwappte ein nicht mehr für möglich gehaltener Feuersturm religiösen Eifertums, der erkennen ließ, wie stark sich Militär, Gesellschaft und die Politik des Heiligen Landes noch immer an der Bibel inspirierten. Rabbi Shlomo Goren, ein Renegat, der nicht lange zuvor die Möglichkeit eines weltlichen jüdischen Staates vertreten hatte, der "sich nicht am messianischen Prozeß beteiligt", änderte jetzt seine Meinung, indem er feststellte, daß "die erste Stufe der messianischen Vision vor unseren Augen Gestalt annimmt." [Torat ha-mo´adim, Tel Aviv 1964, Seite 563 sowie "Ha-Tzofeh", 14 Shevat 5735 (1975). Beides nach RAVITZKY, Messianism :{S.266}] Goren erlebte wenige Jahre später seine Kür zum Chefrabbi seines Vaterlands, das Rabbi Kook als Mentor des Gewaltstreiches damals schon zum "Werdenden Königreich Israel" erklärte.

Am 7. Juni 1967 hatte die Israelische Armee auch die Altstadt von Jerusalem besetzt. Triumphierend hissten die "siegreichen" israelischen Soldaten die Flagge mit dem Davidstern über dem Felsendom auf dem Tempelberg. Doch schon zwei Tage später ordnete General Moshe Dayan an, dass das geschichtsträchtige Bauwerk an die Araber zurückzugeben war. Heute mutmaßen Freunde wie Gegner Dayans, für den überraschenden Schritt seien Vernunftgründe maßgeblich gewesen. Es hat jedoch den Anschein, dass okkulte Motive den Ausschlag gegeben haben dürften:

Bald nachdem der Sechstagekrieg vorbei war, sorgte nämlich das Chefrabbinat dafür, dass vor den Zugängen zum Tempel Schilder angebracht wurden, auf denen darauf hingewiesen wurde, dass Juden das Betreten des Berges verboten sei. Bis zur Aufnahme bestimmter, für den jüngsten Tag vorgesehener Weihen, betrachtete das Konzilium das Judentum als rituell unrein. Es bestand die Gefahr, dass ein solcher Mensch versehentlich jenen Platz betrat, auf dem vor Urzeiten das Allerheiligste gestanden hatte - ein Frevel, der von der Hand Gottes mit dem Tode bestraft wird. Somit war der Tempelberg aus theologischer Perspektive eine Verbotene Zone.

In diesem Sinne erklärte der israelische Minister für religiöse Angelegenheiten, Zerah Wahrhaftig, der Tempelberg sei zwar seit der Zeit König Davids (1000v.Chr.) im Besitz Israels gewesen, man solle gegenwärtig aber keine weiteren Schritte zu seiner Rückeroberung unternehmen, da allein der Messias den Dritten Tempel errichten könne. [Artikel von Lawrence Wright "Forcing the End", "THE NEW YORKER MAGAZINE", 20.7.1998] Diese Position wurde von vielen Juden gebilligt und bediente gerade das passivistische Lager der Ultraorthodoxen.

Doch trotz dieses Gebots gibt es verschiedene jüdische Fundamentalistengruppen, die überzeugt sind, dass die Zeit zum Bau eines neuen Tempel gekommen ist. Ihr auf der Hand liegendes (interessanterweise aber die Macht eines himmlischen Messias leugnendes) Argument ist, dass der Dritte Tempel solange nicht gebaut werden könne, solange auf dem Berg ein muslimisches Bauwerk stehe.



Vollendete Tatsachen am Tempelberg



"Wenn man voraussetzt", textete die "Time" vom 30. Juni 1967 unter dem programmatischen Titel "Should the Temple be Rebuilt?", "daß Israel den Wall in Händen hat, welcher eine der wenigen erhaltenen Ruinen des Jüdischen Zweiten Tempels darstellt, so ist damit die Zeit für die Errichtung eines Dritten Tempels gekommen... So groß ist Israels Euphorie heute, daß manche Juden genügend theologischen Grund sehen, solchen Wiederaufbau zu diskutieren. Sie gründen ihre Argumentation auf die Behauptung, daß Israel bereits in seine ´Messianische Ära´ eingetreten sei... Der Historiker Israel Eldad sagt: ´Wir stehen dort, wo David stand, als er Jerusalem befreite. Von da an bis zur Errichtung des Tempels durch Salomo verging nur eine Generation. Genauso wird es uns geschehen.´ Und was ist mit dem Moslem-Heiligtum? Antwortet Eldad: ´Das ist allerdings eine offene Frage. Wer weiß? Vielleicht wird es ein Erdbeben geben?´"

Nun hieße es, die Bodenständigkeit der chassidischen Krake gründlich zu verkennen, wenn man ernsthaft glauben würde, diese habe tatsächlich jemals auf eine Art Natur-Wunder gewartet. Im Gegenteil: Anfang 1969 bestellte die israelische Regierung im Ausland genau abgemessene Steine für den neuen Tempel. Seine beiden, im Alten Testament genannten massiven Bronzesäulen trafen ebenfalls in Palästina ein. Dann erfolgte am 21. August 1969 der Brandanschlag auf die Al-Aksa-Moschee.

Wieweit höchste Regierungsstellen in die Aktion eingebunden waren, ist nicht bekannt. Daß es sich um ein von langer Hand geplantes, abgekartetes Spiel handelte, steht allemal fest. So stellte sich heraus, daß die Feuerwehr erst nach Stunden eintraf, daß mehrere Feuer gelegt worden waren, daß hochbrennbare explosivähnliche Stoffe, die nur eine große Organisation liefern und vorbereiten kann, verwandt worden waren, daß der angebliche Van der Lubbe, der Australier Rohan, gar nicht durch das weiter entfernte Nordtor eingedrungen war, sondern durch das von Israelis bewachte Moors-Tor. Eine Untersuchung der Brandursache durch Neutrale wurde von den Israelis bezeichnenderweise abgelehnt, der ´Brandstifter´ widerrief mitten im Prozeß seine ´Geständnisse´ und wiederholte sie dann auftragsgemäß einige Tage später aus seiner Eichmannkabine heraus. Kein Mensch in Jerusalem glaubte ihm auch nur ein einziges Wort...

Auch in jüngerer Zeit fuhren selbsternannte Handlanger des Herrn darin fort, ganz konkret Pläne zur Zerstörung der auf dem Tempelberg gelegenen Al-Aksa Moschee auszuhecken. Im gewissen Sinne war das ein politischer Schachzug, der das Abkommen von Camp David sabotieren sollte. Aber in einem anderen Sinn war es ein mystischer Versuch, die ´Kräfte der Unreinheit´ stillzulegen, "die Schale Ishmaels", von der Quelle ihrer Lebenskraft auf dem heiligen Berg abzuschneiden. Für einige, indessen, war es zugleich ein apokalyptischer Schritt, eine historische Wende in Gang zu setzen, durch das Heraufbeschwören eines katastrophalen Krieges die Hand des "Messias" zu bewegen. [RUDICK, Eretz ge´ulah, S. 185; D. C. RAPOPORT, Messianism and Terror, "Center Magazine" 19 (1986): 30-39. RAVITZKY, Messianism, S. 134]

Allerdings blieben diese Umtriebe nicht ohne Widerspruch. Schließlich gingen sogar führende Figuren im Erlösungslager - durch die möglicherweise zu früh anberaumte Verschwörung alarmiert - in die Offensive und beeilten sich, diese als Perversion zu verdammen. "Wir haben es hier mit einer messianischen Sekte zu tun, die danach trachtet die Erlösung des jüdischen Volkes durch die Macht der Waffen zu verwirklichen," wetterte Rabbi Zvi Tau. "Sie vertreten die offensichtlich götzendienerische Idee, daß sie durch die Sprengung der Moscheen den Herrn des Universums zwingen können, Israel zu erlösen. Es ist dies das Denken engstirniger, oberflächlicher Studenten der Kabbala, die mit all ihren Beschränkungen durch Neugierde in einen heiligen Bereich gelangen und große Zerstörung verursachen." [SEGAL, Ahim yekarim, S. 216. RAVITZKY, Messianism, S. 134] Dieser Standpunkt Taus gibt eindeutig die im Judentum vorherrschende Meinung zum Thema wieder.

Doch ebenso klar ist, daß es eben diese Fraktion aktivistischer Kabbalisten tatsächlich gibt, und daß sie seit langem genau das betreiben, was Tau - wohl nur zum Teil - angreift: Sie versuchen, die "Erlösung" des jüdischen Volkes respektive die Erfüllung biblischer Prophetie durch die Macht der - wenn nötig: bewaffneten - Aktion zu erreichen.

"Was wir wollen", lesen wir in einem Aufruf aus dem messianistischen Umfeld, "sind Gläubige, die aus dem Glauben an Gott sich zur Tat erheben... Es ist dieser Glaube, der ihn von dem Moment, in dem er zu handeln beginnt, begleitet, der ihm die Kraft gibt, in historische und politische Ereignisse einzugreifen. Der Gläubige weiß, daß der Segen des Herrn auf jedem Schritt seines Wegs bei ihm ist." [DAN TOR, Fortfahren, das Ende zu erzwingen (hebräisch), "Nekudah" 96 (1986): 28. RAVITZKY, Messianism, S.130] Das ist deutlich. Und ebenso unverstellt wie die Worte von Rabbi Ya´akov Filber, Kopf der - Kook´schen - Merkaz ha-Rav Junior Yeshivah: "Über und neben unserem Schaffen ist eine göttliche Macht, die über allem schwebt und uns zum Vorantreiben zwingt, in Übereinstimmung mit dem göttlichen Plan, der vollen Erfüllung entgegen." [YAAKOV FILBER, Unsere Zeit, wie sie in den Quellen dargestellt ist (hebräisch), "Morashah" I (1971): Seite 31, 37, 70. RAVITZKY, Messianism, S.132]



Kooks Siedlerbewegung Gush Emunim



Wir sehen hier ein logisches, organisches Ergebnis der Lehren von Rabbi Zvi Jehudah Kook. Das deterministische Element in dieser Entwicklung ist unübersehbar. Und tatsächlich waren einige der Tempelbergaktivisten als extremistische Siedler ganz klar dem Kook´schen Ideenstrang des Chassidismus zuzuordnen.

Der israelische Bürgerrechtler Israel Shahak erklärt diese gefährlich weit in die Neuzeit reichende Zündschnur von ihrern messianischen Wurzeln aus: "Die Rabbis, die seine Yeshivat (Talmudschule) in Jerusalem - Merkaz Harav - absolviert hatten und hingebungsvolle Anhänger seiner Lehren geblieben waren, begründeten eine jüdische Sekte mit einem scharf umrissenen politischen Plan. Anfang 1974, praktisch unmittelbar nach dem Schock des Krieges vom Oktober 1973 und eine kurze Zeit bevor der Waffenstillstands-Vertrag mit Syrien unterzeichnet wurde, gründeten Rabbi Kook´s Anhänger mit dem Segen und unter der geistigen Anleitung ihres Führers die Gush Emunim, den ´Block der Getreuen´. Die Ziele der Gush Emunim waren es, in den besetzten Gebieten neue jüdische Siedlungen zu initiieren und bereits bestehende jüdische Siedlungen auszubauen... Nach dem Tod des jüngeren Kook ging die spirituelle Führung der Gush Emunim auf einen halbgeheimen rabbinischen Rat über, der über ein mysteriöses Auswahlverfahren aus dem Kreis der hervorragendsten Kook-Schüler zusammengestellt wird. Diese Rabbis haben fortfahrend politische Beschlüsse getroffen, die sie von... ihrer sehr eigenen Auslegung der jüdischen Mystik - allgemein als Kabbala bekannt - ableiten. Die Schriften von Rabbi Kook dem Älteren dienen als die heiligen Texte und sind vielleicht absichtlich noch verdunkelter als andere kabbalistische Schriften. Gründliche Kenntnis der talmudischen und kabbalistischen Literatur, einschließlich moderner Auslegungen beider, und eine spezielle Ausbildung sind Voraussetzung zum Verständnis der Kook´schen Schriften." [ISRAEL SHAHAK/NORTON MEZVINSKY, Jewish Fundamentalism in Israel, Pluto Press, London 1999 :{S.55 und 57}]

Nun ist der liberale Shahak nicht gerade als Parteigänger des Chassidismus zu bezeichnen. Nichtsdestoweniger haben seine Worte Gewicht in Israel, und sie werden durch unbedachte Aussagen bestätigt, die aus messianistischen Kreisen stammen. Rabbi David Samson beispielsweise, Anhänger von Zvi Yehuda Kook und einer der führenden Biographen sowie Förderer der Kabbalalehren des älteren Kook, gibt zu, daß sich die von den Kooks gegründeten Merkaz HaRav Yeshiva-Netzwerke direkt ins Herz der Siedlerbewegung Gush Emunim und in die Sekte der Tempelberggetreuen erstreckten.

"Die gesamten Siedlungen in Judea, Samaria und auf dem Golan gehen durchwegs auf die Merkaz HaRav zurück", führt Samson aus. "Die Führer der Gush Emunim sind alle die Schüler von Rabbi Zvi Yehuda, und wann immer sie eine größere politische Entscheidung zu treffen haben, tun sie dies in seinem Eßzimmer, während sie an seinem Tisch sitzen." [Artikel "Temple Mount Fanatics Foment a New Thirty Years' War" in: Who Is Sparking A Religious War In The Middle East - And How To Stop It, EXECUTIVE INTELLIGENCE REVIEW(EIR) - Special Report, hrsgg. Ende 2000 von Jeffrey Steinberg. Der Artikel erschien in der Ausgabe 3. November 2000 des Executive Intelligence Review]

Doch die Gefahren des Messianismus reichen noch sehr viel weiter: Den Armageddonfanatikern ist es gelungen, sich tief in den politischen Geschäften Israels zu verwurzeln. Längst schon gibt die Sekte in den kleinen rechtsreligiösen Parteien des Landes den Ton an. Und da diese im Parlamentsleben oft das Zünglein an der Waage bilden, findet man aktivmessianistische Vertreter auch in den wechselnden Regierungen. Im Militär. Und im Geheimdienst.

Selbst die Linke steht unter Endzeitkuratel: "Der Einfluß der Gush auf die Arbeiterpartei kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Sie bürdeten ihren Willen mehreren aufeinanderfolgenden Linkskabinetten auf und führten in wichtigen Fragen die Hand der Regierung", offenbart Rubenstein. [AMNON RUBENSTEIN, S. 104, 106. Orig. "The influence of the Gush upon Labor [Zionism] cannot be overestimated. They imposed their will upon successive Labor cabinets and forced the government's hand on critical issues"] Shahak und Mezvinsky urteilen wohl zu recht, wenn sie schreiben: "Gush Emunims Einfluß auf sämtliche Israelischen Regierungen und Politischen Führer verschiedener politischer Überzeugung ist in der Vergangenheit bedeutsam gewesen." [SHAHAK/MEZVINSKY, Jewish Fundamentalism…,S. 72]

So erklärt sich, daß nicht wenige politische Entscheidungen in Nahost bis hin zu Kriegen eine biblische Handschrift tragen.



Der 1. Irakkrieg



Einen kaum vertarnten Einblick in die aktuellen Wechselbeziehungen zwischen Bibelschrifttum und politischen Entscheidungen gab vor wenigen Jahren eine Handvoll jüdisch-amerikanischer Kabbalisten, die angeblich per Zufall auf Verschlüsselungssysteme in der Bibel gestoßen waren, mittels derer man künftige Ereignisse zeitgenau bestimmen konnte. Im Grunde postulieren diese "Bibel-Code-Forscher", etwas entdeckt zu haben, was schon sehr lange in chassidischen Kreisen bekannt war bzw. betrieben wurde. Einfach gesagt: Sie übernahmen Althergebrachtes und würzten es mit einer Prise Zauber und Magie. Doch das ist nicht das bedeutsame, das interessante, was uns im Ferneren beschäftigen soll.

Es ist vielmehr der Fakt, daß wir bei genauerem Hinsehen aus dem Munde dieser Männer erfahren, daß sich die vermeintlich so säkular geprägte Politik Israels oft ganz entschieden aus der Mystik speist. Daß führende Vertreter des Staates das Wort "Gottes" als Antrieb für eigenes Handeln nehmen. So weit, daß sie suchen, den Gang der politischen Geschicke nach der biblischen Zukunftsschau auszurichten.

So schreibt der Religionswissenschaftler Dr. Jeffrey Satinover über die Zeit vor Ausbruch des Golfkrieges von 1991, als es dem Milliardenschweren Fundamentalistenlager um Rabbi Schneerson gerade gelungen war, in Tel Aviv eine rechtsgerichtete Hardlinerregierung an die Macht zu hieven:

"Tatsächlich haben mehr als nur einer der Bibelcode-Erforscher enge Beziehungen zu den kryptologischen Diensten des renommierten israelischen Geheimdienstes Mossad und auch zu anderen Geheimorganisationen." Um dann vielsagend fortzufahren: "Mag sein, daß der Mossad in das alles verwickelt ist..." [JEFFREY SATINOVER, Die verborgene Botschaft der Bibel - Der Code der Bibel entschlüsselt, Goldmann Verlag, München 1997:{S.247}]

Wir erfahren, daß Mossad-Leute, Militärs und kabbalistische Fundamentalisten vor Beginn des Golf-Krieges aus prophetischem Schrifttum "die sich entwickelnde Situation am Golf" "ermittelten". Daß sie Einzel-Ereignisse bis hin zu Raketenangriffen "diskutierten". Geschehnisse, die dann auch wirklich "eingehalten" wurden. Also eintraten.

Daß der ins Auge gefaßte Krieg nicht zuletzt auf Drängen Israels ausgetragen wurde, wußte damals jeder halbwegs informierte Geheimdienstler, gleich welcher Nationalität, ebenso die Kaste der leitenden Politiker. Die Völker wußten davon nichts, und sie sollten davon auch kein Wort erfahren. Gerade in den arabischen Ländern hätte das Bekanntwerden einer "Zion- Connection" in Stundenfrist sämtliche den USA zugewandten Regime der Region zur Revolutionsreife destabilisiert. Damit wären auch Bush Seniors militärische Brückenköpfe in Saudi-Arabien - und letztlich der Feldzug als solcher - aufs Spiel gesetzt worden. Aus diesem Grunde mußte dringend verhindert werden, daß Israel in egal welcher Form an der Vernichtung des Irak teilnahm. Das Land mußte sich militärisch völlig passiv verhalten, selbst bei einem eventuellen Raketenangriff des Irak. Es gelang dem Pentagon schließlich, Tel Aviv von diese Logik zu überzeugen.

Satinover schreibt hierzu:

"Trotz alledem beugte sich Israel aber dem Druck, nicht zurückzuschlagen, falls Hussein seine Scud-Raketen abschoß... Angesichts dieses beispiellosen Stands der Dinge war eine ganz bestimmte Geheimdienstinformation notwendig, die höchste praktische Bedeutung besaß: An welchem Tag genau würde der erste Angriff erfolgen? Wenn dies zu eruieren möglich wäre - oder auch nur eine Liste mehrerer möglicher Daten-, dann brauchte man die Bevölkerung, statt sie im Dauerstreß zu halten, lediglich für diesen Zeitpunkt oder diese Daten in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen. Damit also zu unserer - wenn auch nicht verifizierbaren - Geschichte. Bestimmte ungenannte Code-Forscher trafen sich mit Mossad-Leuten und diskutierten Möglichkeiten, wie sich der Termin des ersten Scud-Raketenangriffs herausfinden ließ. Kodierungen, die sich auf die sich entwickelnde Situation am Golf bezogen, waren bereits ermittelt... Die Wissenschaftler schlugen schließlich folgende Möglichkeit vor... Sie wußten, wo die Codes, die sich auf die Situation am Persischen Golf bezogen, zu finden waren. Mossad und Militär hatten mit den konventionellen Techniken des Sammelns von Informationen und strategischen Überlegungen bereits ein Liste möglicher Angriffstermine erstellt... Ein Datum von den dreien lag natürlich am allernächsten: nämlich der dritte Tag des Shevat 5751, also Freitag, der 18. Januar 1991. Und an ebendiesem Tag ereignete sich dann auch wirklich der erste Scud-Angriff."

"Obwohl es nicht zur Verbreitung und Verwendung gedacht war, habe ich selbst doch ein Dokument eingesehen, das eindeutig konstatiert, daß ´das Datum´ - der dritte Shevat, der Tag, an dem die ersten Scud-Raketen auf Israel abgeschossen wurden und einschlugen - ´schon herausgefunden wurde, bevor der Krieg begann´. Der Inhalt dieses Dokuments wurde später in einem per Tonband aufgezeichneten Interview mit einem der Hauptbeteiligten bestätigt." [JEFFREY SATINOVER, Die verborgene Botschaft der Bibel - Der Code der Bibel entschlüsselt, Goldmann Verlag, München 1997 :{S.247ff.}]

Wunder o Wunder? Natürlich nicht! Dafür war das Eintreffen der "Prophezeiung" von den Regisseuren in Jerusalem zu einfach zu manipulieren. Es mußte damals schließlich jedem Kind einleuchten, daß der am Ende um Beilegung des Konflikts bemühte Saddam keinesfalls vor dem Angriff der Amerikaner gegen den Judenstaat vorgehen würde. Andererseits konnte man davon ausgehen, daß er in der Absicht, die anderen arabischen Staaten baldmöglichst nach der Invasion der amerikanischen Übermacht hinter den Fahnen des Irak zu einen, seine Offensive zeitlich mit dem Vorgehen Washingtons koppeln würde. Israel war also in den ersten Stunden nach Aufnahme der Kriegshandlungen durch die Amerikaner am gefährdetsten. Demnach brauchten die biblischen "Auguren" nur sicherzustellen, daß Washington seine erste Bombardierungswelle kurz vor dem in der "Weissagung" fixierten Tag durchführte. Und so kam es dann auch. Am 17. Januar 1991 begannen die Vereinigten Staaten das Unternehmen "Desert Storm". Stunden später - am 18. Januar gegen 2 Uhr nachts (Ortszeit) - gingen acht Scud-Raketen auf israelischen Boden nieder. [MICHAEL DROSNIN, Der Bibel Code, Wilhelm Heyne Verlag, München 1997 :{S.18f.} Gerüchten zufolge, schossen die Israelis und Amerikaner die Raketen von saudischem Boden aus selbst ab.]

Da praktisch die gesamte NATO gegen den Irak kämpfte und die formal noch bestehende Sowjetunion ihren Bündnisversprechungen nicht nachkam, war dem Gemetzel am Golf keine allzu lange Dauer beschieden. Das angebliche Ziel, die Welt und den Gegner von der "Schreckensgestalt" Husseins zu befreien, wurde indes nie so ernst verfolgt, wie man es den Massen vor ihren Fernsehschirmen Glauben machte. Der unaufhaltsam vorwärtsmarschierende US-General Schwarzkopf muß bereits erste Einquartierungsmaßnahmen für das eroberte Bagdad getroffen haben, als ihn wie aus heiterem Himmel die Rückzugsorder aus Washington erreichte. Sie war ebenso politisch unverständlich wie militärisch sinnlos.

Zufall? Bestimmung? Die Hand Gottes? Sicher ist: Das okkulte Establishment hatte - wohl aus kabbalistischen Gründen - bereits im voraus beschlossen, daß ausgerechnet am jüdischen Sühnefeiertag Purim der Familienkrieg Bush gegen Saddam ein vorläufiges Ende haben sollte, um dann 12 Jahre später exakt am gleichen Tag wiederaufgenommen zu werden. Der in Sydney/Australien wirkende Rabbi Yossie Braun überliefert, dass die Ikone des Chassidismus, der Lubawitscher Rebbe, "im privaten Kreis ein ganz spezielles Datum benannte, an dem der Krieg beendet werde." Und dass er mit dieser gewagten Prognose Recht behalten sollte. [Sendung "The Spirit of Things", Beitrag "Prophecy Now", Produziert von Rachel Kohn am 24.9.2000 auf RADIO NATIONAL, "the Australian Broadcasting Corporation's national radio network of ideas" - http://www.abc.net.au/rn/relig/spirit/stories/s187680.htm Radio National]

Die Frage, wie stark der Einfluß dieser Kreise auf eine vermeintlich allein von eigenen Interessen bestimmten Supermacht wie die USA sein kann, ist damit aufgeworfen und soll im Anschluß an das folgende Kapitel näher behandelt werden.



Fundamentalistische Geschichts-Schreibung: Das Rabin-Attentat



Der erste amerikanische Feldzug gegen den Irak war 1991 im Wüstensand steckengeblieben. Dafür sorgte derselbe Krieg - unbemerkt von den meisten politischen Beobachtern - anderenorts für Bewegung. Der Grund: George Bush senior hatte den Einsatz seiner Truppen nur mit Zustimmung der Anrainerstaaten durchführen können. Und diese ließen sich den innenpolitisch imageschädigenden "Brudermord" teuer bezahlen: Neben barer Münze, Rüstungsgütern und diversen diplomatischen Aufwertungen setzten es die arabischen Staatschefs dabei durch, daß sich das Weiße Haus verpflichtete, im Anschluß an den Waffengang Israel zu einer Lösung der Palästinafrage zu bewegen. Tatsächlich gelang es Washington, einen Dialog zwischen Israel, Jordanien, Syrien, Libanon und den Palästinensern zustande zu bringen.

Die Führungsetage des Chassidismus verfolgte diese Vorgänge mit Misstrauen. Geradezu heilige Wut versprühte (oder spielte) der Rabbiner von Lubawitsch, Menachem Schneerson, neben Kook der wichtigste Kopf der jüdischen Okkultbewegung. Ihm war eine Politik, die an seinen Leuten - bzw. gleichbedeutend, der Bibel - vorbeizulaufen drohte, von jeher Greuel. Und so bestieg der mächtige Sektenchef, dessen genealogische Wurzeln bis zu König David zurückreichen sollen, im Januar 1992 ein Flugzeug, um sich höchstpersönlich im Nahen Osten in die laufenden Gespräche einzuschalten.

Als Empfangskomitee hatte die israelische Rechtsregierung sinnigerweise ihren Transportminister Moshe Katzav entsandt, der heute das Amt des Staatspräsidenten inne hat. Schneerson zeigte sich unbeeindruckt, und wie die tatsächlichen Machtverhältnisse in Israel liegen, mag folgender Wortwechsel veranschaulichen:

Schneerson: "Ich habe immer für eine Regierung Shamir gekämpft, so wie ich alles in meiner Macht stehende getan habe, damit eine Regierung mit Shamir an der Spitze zur Macht gelangen konnte. Sollte diese allerdings die gegenwärtige Richtung der (den Nahostfrieden suchenden, W.E.) Gespräche fortsetzen, dann werde ich an vorderster Front mit all meiner Kraft und Macht gegen Shamir kämpfen, so daß seine Regierung fallen wird…"

Minister Moshe Katzav erwiderte darauf: "Der Rebbe Shlita (ein verehrender Ausdruck) ist derjenige, der die gegenwärtige Regierung eingerichtet hat. Wir hoffen auf den fortgesetzten Segen durch den Rebben für diese Administration. Dadurch würde der Regierung zusätzliche Heiligung zuteil werden." [EMES NEWS, 7.Oktober 2001/20 Tishrei 5762, http://emesnews.com/prophetic_words_of_the_lubavitch.htm, Artikel "Prophetic words of the Lubavitcher Rebbe to the (then) Israeli Transportation Minister, Moshe Katzav", Yud Shevat, 5752; January 15,1992]

Doch Shamir mußte auf Druck der Amerikaner weiterverhandeln. Und so blieb auch das Heil des Rebben, von dem - wie der SPIEGEL wiederholt schreibt - ein Wort Parlamentskrisen auslösen konnten, aus. [DER SPIEGEL 18/1992, S. 200ff sowie DER SPIEGEL 25/1994, S. 204] Vier Monate, nachdem der Lubawitscher damit gedroht hatte, die Regierung Shamir zu demontieren, brach selbige wie ein Haufen morscher Knochen in sich zusammen. Unmittelbar darauf, im Juni 1992, verlor der konservative Likud-Block die Knesset-Wahlen gegen die sozialdemokratische Arbeiterpartei. Itzak Rabin wurde Premier, Schimon Peres Außenminister. Neben US-Präsident Clinton und Palästinenserführer Jassir Arafat waren diese beiden Männer die Schrittmacher eines Nahost-Friedensprozesses, welcher im September 1993 in Oslo zum Abschluß gelangte und den Zionstaat an den Rand eines Bürgerkrieges führte.

Über allem stand das möglicherweise schon prophetisch empfundene Bemühen der Friedensgegner, sowohl die Araber als auch die im Lande lebenden Juden zu radikalisieren. Schon das erste Selbstmordattentat setzte klar auf eine Schwächung des palästinensischen Verhandlungs-Flügels um Arafat: Am 25. Februar 1994 drang der amerikanisch-israelische Terrorist Baruch Goldstein in die al-Ibrahimi Moschee von Hebron ein und tötete dort einige Dutzend moslemische Gläubige beim Gebet und dann sich selbst. Goldstein war ein personeller Eckpfeiler der erb- und familiendynastisch geprägten Lubawitscher-Sekte. "Seine Vorfahren mütterlicherseits", wusste die "Jewish Week zu berichten", gehen acht Generationen zurück zum Baal Hatanya - Gründer der Lubawitscher-Dynastie." [JEWISH WEEK, 24.2.1995, Sonderartikel "One Year Later -- Purim Hebron 1994 Remembered"]

Dem beispiellosen Massaker folgten in den nächsten Monaten Erwartungs- und wohl auch Planungsgemäß mehrere Selbstmordanschläge von Hamas und Islamischen Dschihad. Am Ende der Gewaltkette stand der Kampf aller gegen alle. Rabbi Benny Allon, ein Anführer der rechtsradikalen Bewegung Su Artzenu ("Das ist unser Land") beschuldigte Rabin, Israel in einen Bürgerkrieg zu führen. Und er drohte: "Unter uns gibt es viele Baruch Goldsteins. Ich bin davon überzeugt, daß bei der jetzigen Stimmung ein neuer Goldstein aufstehen und dieses Mal vierzig Linke töten wird."[NEUE SOLIDARITÄT, 27.11.2002 :{S.14}]

Just in dieser aufgeladenen Atmosphäre will der jüdisch-amerikanische Kabbalist Michael Drosnin einen verschlüsselten Bibelhinweis entdeckt haben, demzufolge "das Schicksal" für den amtierenden Premierminister ein gewaltsames Ende plante. Der Mord, so Drosnin, sei an verschiedenen Stellen beschrieben - einschließlich des hebräischen Tatjahres "5756", was nach dem christlichen Kalender den Zeitbereich vom September 1995 bis September 1996 abdeckte. Umgehend begab sich der findige Schriftgelehrte nach Israel, um - wie er schreibt - Rabin zu warnen. Am 1. September 1994 traf Drosnin in Jerusalem ein. Einige Tage später konferierte er an der Seite des israelischen Code-Knackers Elijahu Rips mit dem führenden Wissenschaftler des Verteidigungsministeriums, General Isaac Ben-Israel. Gemeinsam, so wird überliefert, forschte die Gruppe im Bibelcode nach Einzelheiten des prophezeiten Mordes.

Wurde das Schicksal Rabins daraufhin aus religiösen Motiven heraus zur Staatsräson erklärt? Segnete man den Mord ab? Übertrug gar die Administration selbst von oben herab das Handlungsprinzip von säkularen Instanzen zurück auf die Geistlichkeit?

Sicher ist:
  • In direktem Verfolg des Jerusalemer Okkult-Gipfels bedrohte der Schneerson-nahe Rabbiner Avraham Hecht aus Brooklyn Rabin mit einem Fluch der Chassiden-Ikone Maimonides: Der berühmte jüdische Rechtsgelehrte hatte im zwölften Jahrhundert festgestellt, ein Verräter in den eigenen Reihen müsse getötet werden. Hecht rief zum Mord am Premier auf: "Ich sage mit Maimonides: Wer ihn tötet, tut eine gute Tat." [DER SPIEGEL, 13. 11.1995]
  • Anfang Oktober versammelten sich vor dem Wohnhaus des israelischen Regierungschefs einige fundamentalistische Geistliche, um das "Pulsa Denura" zu beten, ein biblisch-schwarzmagisches Tötungsritual. Gott möge "den Verfluchten" sterben lassen, flehte Rabbi Awigdor Askin vor Jizchak Rabins Türschwelle. [DER SPIEGEL, 13.11.1995] Dann wurde die Verdammung über den Ministerpräsidenten gesprochen: "Und über Jitzhak, Sohn von Rosa, bekannt als Rabin, haben wir die Ermächtigung, den Engeln der Zerstörung zu gebieten, ihr Schwert gegen ihn zu richten und ihn zu töten, weil er das Land Israel an unsere Feinde abgab, den Söhnen Ismaels." Der ausführende Rabbiner gab bekannt, dass der Fluch gewöhnlich innerhalb von 30 Tagen seine Wirksamkeit erziele. [JERUSALEM REPORT-Magazin, Erste Novemberwoche 1995] Am 4.11.95, genau einen Monat später, war Rabin tot.
  • Mehrere der chassidistischen Siedlerorganisation Gush Emunim nahestehende Rabbis verurteilten in privatem Kreise den israelischen Premier als Rodef. Rein formal bedeutet der Begriff Rodef im mosaischen Gesetz einen Verfolger, den man in einem Akt der Selbstverteidigung rechtmäßig töten kann. Die Rabbiner begründeten ihren Entscheid nach außen damit, daß jeder, der Teile des Landes Israel zurückgebe, Juden dem Terror und Tod preisgebe und deshalb "präventiv" getötet werden könne. Diese Art religiöser Begründung und das Klima, aus dem sie einerseits hervorging und das sie andererseits selbst schuf, führte dazu, daß Rabin in der Tat einem hebräischen Attentat zum Opfer fiel. [ALAN MITTLEMAN, "Jüdischer Fundamentalismus: Religion, Politik und die Transformation des Zionismus", http://www.kas.de/publikationen/1996/ai/09.html.]
Als der Ministerpräsident am 4. November 1995 eine großangelegte Demonstrationsveranstaltung zugunsten des Friedensprozesses besuchte, wurde er nur wenige Meter neben dem Rednerpult durch mehrere Kugeln niedergestreckt, die der radikal-orthodoxe Jude Jigal Amir von hinten auf ihn abgegeben hatte... Die Frau des Ermordeten, Lea Rabin, schreibt in der englischen Ausgabe ihres Erinnerungsbuchs "Ich gehe weiter auf seinem Weg", ihr Mann sei "Opfer einer intellektuellen Verschwörung gewesen", zu deren hartem Kern Extremisten und Rabbis gehörten, die "zu Handlungen inspirierten, welche zu dem Mord führten." Der Attentäter pflegte Beziehungen zu extremistischen Siedlern und Rabbinern. Rabbi Benny Allon, der das Goldstein-Attentat in innerisraelischen Dimensionen angedroht hatte, war der Onkel von Jigal Amirs Freundin Margalit Harshefi, die 1998 zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil sie nichts tat, um den Mordanschlag zu verhindern. Amir wiederum rechtfertigte sein Vorgehen fast mit dem Originalwortlaut, durch den das Opfer als Rodef verurteilt worden war. Während der Untersuchungshaft erklärte er dem Richter: "Nach rabbinischem Recht muß jeder Jude getötet werden, wenn er Volk und Land dem Feind aushändigt." [WOLFGANG MARIENFELD: Fundamentalismus im Nahost-Konflikt. Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung. Hannover 2002.] Bei einer Vernehmung durch den Shin Beth äußerte Amir: "Wo eine religiöse Pflicht ist, gibt es kein Problem mit der Moral. Hätte ich an der Einnahme von Eretz Israel in biblischen Zeiten teilgenommen, hätte ich auch Säuglinge und Kinder, wie im Buch Josua beschrieben, getötet." [NEUE SOLIDARITÄT, 27. 11. 2002 :{S.14}]

144 Tage nach dem Schreckenstag sprach das Tel Aviver Bezirksgericht das Urteil über den Schützen. Es lautete auf lebenslange Einzelhaft plus 6 Jahre. Indes blieben sehr viele Fragen offen, die den Schluß nahe legen, dass staatliche Stellen und gar Rabin selbst in die Vorgänge des 4. November eingebunden waren

Auf jeden Fall beschuldigten Angehörige Rabins den israelischen Sicherheitsapparat offen der Kumpanei mit dem Täter. Was nahe lag, denn erst das eklatante Versagen von Polizei und Agentenschaft machte die Ausführung des Attentats möglich. Seit Wochen hatte höchste Alarmbereitschaft bezüglich der Gefährdung Rabins und anderer Regierungsmitglieder bestanden. In seiner Rede bei der Beisetzung Rabins sagte der neue Ministerpräsident Shimon Peres, daß sein Vorgänger nur Tage vor dem Anschlag eine Morddrohung erhalten habe. Trotz alledem aber gelang es dem Attentäter - dessen Person und Verbindungen zu rechtsextremistischen Kreisen den israelischen Sicherheitsdiensten bekannt waren - ungehindert in den abgesperrten Sicherheitsbereich einzudringen und aus nächster Nähe drei Mal auf Rabin zu schießen.

Der Fall könnte sogar noch weit mehr hergeben. Jigal Amir, richtete damals die Anklage, habe "in vollem Bewußtsein der Konsequenzen den Regierungschef getötet." "Amirs Anwalt Jonathan Ray Goldberg", überliefert das ISRAEL JAHRBUCH 1997, "ist jedoch anderer Meinung und meint, daß sein Mandant aus mehreren Gründen nicht Rabins Mörder sein kann: ´Amir´, erklärte er, ´gibt zwar zu, der Mörder zu sein, weil er annimmt, er habe Rabin ermordet. Ein Ballistikspezialist der Anwaltschaft behauptet dagegen, daß die zwei Kugeln, die in Rabins eingedrungen sind, aus Reichweite Null abgeschossen wurden, Amir aber stand über einen Meter hinter Rabin.´ Ferner betrug der ballistische Schußwinkel 45 Grad und kann daher nicht von Amir stammen, der mit 90 Grad auf Rabin zielte. Die selbstgebastelten Hellopoint-Patronen in Amirs Pistole hätten dazu laut Spezialisten eine größere Wunde verursacht. ´Daher wurde am Tatort auch keine Blutlache entdeckt´, erklärte Goldberg. Darauf deuten auch die Aussagen der Sicherheitsleute hin, die von einer Spielzeugpistole reden. Fragen, die eine Konspiration vermuten lassen, sind aber wegen der Involvierung des Generalsicherheitsdienstes kaum lösbar.
´Israels Sicherheitsdienst simulierte den Anschlag auf Rabin, um den rechten Bevölkerungsblock zu diskreditieren´, behauptet die englische Zeitung Observer. ´Rabins Leibwächter wurde vorher mitgeteilt, daß sie an diesem Abend ein Manöver mit Platzpatronen erleben werden, was erklärt, daß sie, als Amir geschossen hatte, riefen, Es sind nur Platzpatronen´. 24 Stunden nach dem Gerichtsurteil veröffentlichte die Shamgar-Kommission ihren 250seitigen Untersuchungsbericht über den Mord an Rabin. Davon durften 117 Seiten nicht veröffentlicht werden. Gerade jener Teil, der eine Verschwörung vermuten läßt, blieb als ´streng geheim´ unter Verschluß." [LUDWIG SCHNEIDER und NACHRICHTEN AUS ISRAEL/NAI, "Israel-Jahrbuch 1997", Jerusalem 1996:{S.47} Siehe ferner DAVID HOFFMAN, The Oklahoma City Bombing and The Politics of Terror (1998) sowie URI DAN / DENNIS EISENBERG, A State Crime: The Assassination of Rabin (1996)]

Gab es ein Prophetie-Komplott, Rabin von der Bildfläche verschwinden zu lassen, das bis in die höchsten Kreise reichte? Michael Drosnin gibt hierzu eine Erklärung: Er schreibt, daß er wenige Tage nach dem Attentat im November 1995 ein Telefongespräch mit General Jacob Amidror, dem stellvertretenden Leiter des militärischen Geheimdienstes Israels geführt habe, um dann wörtlich fortzufahren: "Wie sich herausstellte, war Amidror religiös. Er war nicht nur bereit, die Echtheit des Codes anzuerkennen, er betrachtete ihn sogar als Wort Gottes." Das Wort Gottes, bleibt anzufügen, ist einem Chassiden Befehl.

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